Spengler auf Deutsch 14: Chanukka – Ein Signalfeuer der Generationen

Das Original erschien unter dem Titel „Hannukkah: A Beacon Across Generations“ am 13. Dezember 2015 in PJ-Media

Einer der ergreifendsten Momente des abendländischen Kinos ist die Entzündung der Signalfeuer in Peter Jacksons Verfilmung der “Rückkehr des Königs”. Mit ihnen werden die Reiter von Rohan aufgeboten, um der belagerten Stadt Minas Tirith zu Hilfe zu eilen. Von Gipfel zu Gipfel wird das Feuer entfacht; die lange Wache der einsamen Wächter endet, als das Signal durch Raum und Finsternis eilt, es den freien Völkern des Westens den Mut gibt, zusammen aufzustehen gegen das Aufgebot des Bösen in Mordor. Das Blut steigt und das Herz klopft, wenn die kleinen Lichtpunkte über den weiten Bergen sichtbar werden.

Heute Nacht vollenden Juden in der ganzen Welt das achttägige Chanukkafest, entzünden acht Kerzen in den Fenstern ihrer Häuser. Für das jüdische Volk, vor der Gründung des Staates Israel für zwei Jahrtausende zerstreut über die Welt, sind die Flammen der Chanukkaleuchter wie Tolkiens Signalfeuer, aber eher durch die Zeit, als durch den Raum.

Chanukka (Einweihung) erinnert an die Reinigung des Tempels von Jerusalem, nachdem eine jüdische Armee die Eindringlinge der griechischen Seleukidendynastie 165 v. Chr. vertrieben hatte. Aber es ist mehr als diese Erinnerung: die Kerzen, die wir in jüdischen Häusern während der acht Festtage entzünden, entzünden die ewige Flamme des Tempels selbst, das Symbol der Schechina, Gottes Einwohnung auf Erden. Wir sind dankbar für den militärischen Sieg über die seleukidischen Invasoren und erwähnen ihn in unseren Festtagsgebeten, aber er war kurzlebig. Die hasmonäische Dynastie, die Israel für das nächste Jahrhundert regierte, degenerierte, und Israel wurde 65 v. Chr. de facto ein römisches Protektorat. Unsere Revolte gegen römische Unterdrückung endete mit der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n. Chr. und unserem langen Exil. Der Tempel war zerstört und der Rabbiner der Antike erklärten, dass die Schechina mit dem jüdischen Volk ins Exil ging. Die ewige Flamme des Tempels war von den Römern ausgelöscht, aber neuentzündet in jedem jüdischen Heim. In der Armut, Verfolgung und Demütigung des Exils wurden jüdische Familien ein Tempel im Exil, und die Neuentzündung des Tempellichts von 165 v. Chr. wurde ein Akt der Neuentzündung in jedem Heim.

Die antiken Rabbiner lehrten, dass der zerbrochene Altar des Tempels von Jerusalem der Sabbat-Tisch des jüdischen Hauses ist. Als Nachfolger des Tempels ist das jüdische Heim heilig, so heilig, dass selbst Engel am Vorabend des Sabbats nicht verweilen, wie eine rabbinische Autorität versichert. Die Schechina verweilt im jüdischen Heim am Sabbat und ihr Träger ist die Frau, welche die Sabbatkerzen entzündet und segnet. Sie lässt den Leuchter des Tempels, die Menora, wiederaufleben; ihren Raub durch die römischen Armeen sieht man heute noch dargestellt im Triumphbogen des Titus auf dem römischen Forum.

In der langen Nacht des Exils war es gefährlich, ein Jude zu sein, und es ist immer noch gefährlich, ein Jude in Israel zu sein, geschweige denn in Frankreich. Ich bewundere den Mut meiner Vorfahren in diesen finsteren Zeiten, als ihr Leben von der Duldsamkeit ihrer Nachbarn abhing, die ihnen kaum wohlgesonnen waren, und der Willkür von Herrschern, die sie schützen oder verfolgten, wie es ihnen gefiel. Was ihnen den Mut gab, sich durch so viele Jahrhunderte gefährdeter Existenz durchzusetzen, war die Kameradschaft aller Generationen Israels. Wie die Signalfeuer von Minas Tirith rufen die Chanukkalichter ganz Israel zu unserer Hilfe, all die, die vor uns kamen, und all die, die uns folgen werden, in einer Umwidmung der ewigen Flamme.

„Nicht durch Macht, nicht durch Stärke, aber durch meinen Geist, sagte der Herr der Heerscharen“, lesen wir bei Sacharja über den Sabbat, der auf das Fest fällt. Dieser Geist flimmert für uns in den Chanukka-Lichtern, sie verbinden uns mit Israels Generationen. Das ist der Brunnen unserer Stärke und die Quelle unseres Trostes.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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