Spengler auf Deutsch 36: In den Vereinigten Staaten kehrt die Stagflation zurück

Das Original erschien am 23. März 2016 unter dem Titel „US returns to stagflation“ in Asia Times.

“Die ökonomische Überraschung 2016 mag ein größerer Anstieg der Inflation sein, als die meisten Experten erwartet haben,” schrieb Justin Lau am 21. März im “Wall Street Journal”. Er fügte hinzu: “Das Arbeitsministerium (der Vereinigten Staaten) hat letzte Woche berichtet, dass die Kerninflation, die Lebensmittel und Energiepreise nicht einschließt, um 2.3% höher war als ein Jahr zuvor im Februar“. Das Problem ist, dass die Amerikaner weder mehr verdienen noch ausgeben. Zwei Posten in den Haushaltsbudgets kosten erheblich mehr. Wohnen und Gesundheitsvorsorge haben den gesamten Anstieg der Inflation verursacht. Es sind die steigenden Preise, die die Amerikaner ärmer machen. Stagnation mit Inflation – oder Stagflation – war die wirtschaftliche Krankheit der 1970er, und die USA sehen sie zurückkehren.

Blau – Preisindex für Konsumgüter außer Lebensmittel und Energie:

Rot – Durchschnittliche Stundenlöhne aller Arbeitnehmer:

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Tatsächlich steigt die sogenannte Kerninflation schneller als die amerikanischen Stundenlöhne, was bedeutet, dass die Amerikaner weniger Kaufkraft haben, außer an der Zapfsäule.

Zwei Faktoren fressen die amerikanische Kaufkraft auf: Der erste ist die ruinierte Kreditwürdigkeit der Haushalte infolge der Hypothekenkündigungwelle nach 2008, die Amerikaner in teurere Mietwohnungen zwang. Der zweite sind die von der Regierung erzwungenen Gesundheitskosten, infolge des „Affordable Care Act“[1], welche die Nachfrage nach medizinischen Dienstleistungen erhöhen, ohne das Angebot zu steigern. Aufwendungen für Wohnung und Gesundheit machen 40 % des amerikanischen Verbraucherpreisindex aus, und sie steigen nahezu um 4 % jährlich.

Jährliche Entwicklung des Verbraucherpreisindex nach Kategorien:

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Mit Zinsen von nur 3,3 % für langfristige Hypotheken ist es für Amerikaner billiger zu kaufen als zu mieten, zumal die Hypothekenzinsen absetzbar sind. Jedoch ist laut einem Bericht der Federal Reserve seit der Großen Rezession von 2008 die Hausbesitzerrate in den USA gefallen, da die Hälfte der amerikanischen Haushalte entweder die Raten nicht aufbringen kann oder nicht kreditwürdig für Hypotheken ist. Mehr Haushalte werden in Mietverhältnisse genötigt, und die Kosten steigen, während die Zahl der Hausbesitzer gefallen ist.

Blau – Rate der Hausbesitzer in den USA:

Rot – Miete für den Erstwohnsitz:

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Die ruinierte Kreditwürdigkeit der Haushalte erklärt, warum die Verkäufe neuer Häuser bei weniger als der Hälfte des Vorrezessionsstandes verbleibt, obwohl Häuser immer noch billiger sind, als sie es 2007 waren. Die Hälfte der Amerikaner ist zu arm oder zu belastet durch schlechte Kredite, um kaufen zu können.

Blau – Verkäufe neuer Einfamilienhäuser in den USA:

Rot – Hauspreisindex:

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Während der großen Zwangsversteigerungswelle nach 2008 kauften Investoren Häuser zu Spottpreisen und vermieteten sie. Die Eigentümerrate von Investoren stieg bei Einfamilienhäusern von 10 % auf 20 %. Große private Kapitalgesellschaften, geführt von Blackstone, kauften aggressiv. Eine Studie der Federal Reserve von 2015 enthält keine Hinweise darauf, dass die Investoren den Immobilienmarkt manipuliert hätten, aber private Kapitalgesellschaften, die Zugang zu Kapital hatten, ernteten die Früchte momentaner Verzweiflung und nachfolgender Preiserholung.

Das setzt der Ungerechtigkeit die Krone auf. Haushalte, die ihre Häuser in der Rezession verloren haben, müssen sie jetzt von privaten Kapitalgesellschaften mieten.

Die Gesundheitskosten sind infolge von Obamacare stark angestiegen. Die persönlichen Gesundheitsausgaben steigen nach der neuesten Statistik um 5 % jährlich, das Doppelte der Gesamtinflation von 2,5 %.

Amerikaner geben kein Geld aus, außer für Fast Food, den letzten erschwinglichen Luxus für viele Haushaltsbudgets. Ausgaben für Gastronomie (größtenteils für Fast Food) stiegen bis Februar um nahezu 10 % pro Jahr, während der sonstige Einzelhandel lediglich um 2,5 % jährlich anstieg. Nach Abzug der Inflation sind das kaum 0,5 % jährlich.

Blau – Einzelhandelsumsatz (außer Gastronomie):

Grün – Einzelhandel – Gastronomie und Gaststätten:

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[1] Auch bekannt als „Obamacare“. Durch dieses Gesetz wird die Mitgliedschaft – gegen entsprechende Beiträge – in einer Krankenversicherung obligatorisch.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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