Spengler auf Deutsch 80: Peking glaubt nicht, dass Trumps „Taiwan-Karte“ sticht

Das Original erschien unter dem Titel “The ‚Taiwan Card‘ Is a Busted Flush, Beijing Believes” am 4. Dezember 2016 in PJMedia.

Das kurze Telefonat des erwählen Präsidenten Trump mit Taiwans Präsident Tsai Ing-wen hat in den amerikanischen Mainstream-Medien eine stärkere Reaktion als in Peking hervorgerufen. Das offizielle China Daily betitelte seinen Leitartikel gestern: Kein Grund das Tsai-Trump Telefonat überzuinterpretieren.

“Über Trump enthüllt es nichts außer seiner und seines Übergangsteams Unerfahrenheit in der Behandlung auswärtiger Angelegenheiten. Wenn er diese ungewöhnliche Aktion infolge von mangelndem Verständnis für die chinesisch-amerikanischen und chinesisch-taiwanesischen Beziehungen gestartet hat, wird er nach seiner Inauguration die Bedeutung einer vorsichtigen und angemessenen Behandlung solch sensibler Themen einsehen müssen“.

Versucht Peking einfach gute Miene zum bösen Spiel zu machen? Wahrscheinlich nicht, wie einige scharfsinnige Chinaanalysten meinen. Das militärische Gleichgewicht in dieser Region hat sich seit 1996 zu Chinas Gunsten verschoben, als Bill Clinton zwei Flugzeugträger in die Straße von Taiwan sandte, um auf chinesische Raketentests zu antworten. Peking glaubt, dass die Taiwan-Karte nicht sticht.

Erstens hat China wahrscheinlich zwei Möglichkeiten, einen amerikanischen Träger zu versenken: durch leise diesel-elektrische Uboote und mit landgestützten Langstreckenraketen. Chinas Fähigkeit, ein sich bewegendes Ziel im offenen Ozean zu treffen, ist umstritten, aber wenn China das jetzt noch nicht kann, wird es diese Kapazität bald entwickeln.

Zweitens wird China Russlands S-400 Flugabwehrsystem kaufen, das mit seiner Reichweite von 400 Kilometern den Himmel über Taiwan reinfegen kann. Das russische System kann gleichzeitig 100 Ziele verfolgen. Das System wird wahrscheinlich nicht vor 2018 installiert sein, aber China ist geduldig. Innerhalb weniger Jahre wird China die Fähigkeit haben, das Meer und den Luftraum um Taiwan zu kontrollieren.

Sicher, Amerika hat eine Reihe von möglichen Gegenmaßnahmen. Laser und Schienenkanonen mögen fähig sein, die Anti-Schiff-Raketen abzuschießen und mit trägergestützte Drohnen könnten amerikanischer Träger die 800-Meilen-Reichweite der chinesischen DF-21D Rakete übertreffen. Aber die Finanzierung dieser und anderer Forschungsvorhaben ist unzureichend, um Chinas wachsenden Vorteil in der näheren Zukunft zu neutralisieren.

So wird Chinas Position von Amerikas einstigen Verbündeten in dieser Region verstanden. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte sagte am 20. Oktober in Peking: „Amerika hat militärisch wie wirtschaftlich, wenn auch vielleicht nicht sozial, verloren.“ Zu den chinesischen Politikern in der Großen Halle des Volkes sagte Duterte: „An diesem Ort, meine Damen und Herren, verkünde ich meine Trennung von den Vereinigten Staaten“.

Amerika kann seinen strategischen Vorteil wiederherstellen, aber das wird eine entschlossene und übergreifende nationale Anstrengung erfordern.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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