Spengler auf Deutsch 51: Wie Donald Trump den Nahen Osten stabilisieren könnte

Das Original erschien am 22. August unter dem Titel „How Donald Trump Could Fix the Middle East“ in Asia Times.

 

Der erste Schritt um eine Lösung zu finden, ist zu wissen, dass man ein Problem hat. Donald Trump hat begriffen, dass das außenpolitische Establishment in Washington das Chaos im Nahen Osten verursacht hat. Ich werde dieses Problem erörtern und darüber spekulieren, was eine Trump-Regierung tun könnte.

In den tausend Jahren vor 2007, als die Bush-Regierung Nouri al-Maliki auswählte, um die erste schiitisch dominierte Regierung im Irak zu leiten, hatten sunnitische Muslime den Irak regiert. Maliki wurde sowohl von der CIA als auch vom Oberhaupt der iranischen Revolutionären Garden gestützt.

Seit sich der Irak in den Händen eines Verbündeten des Irans befand, waren die Sunniten -entwaffnet und marginalisiert durch die Auflösung der irakischen Armee – gefangen zwischen zwei proiranischen Regimen, dem irakischen und dem syrischen. Maliki leitete – wie Ken Silverstein in der New Republic dargelegt hat, eines der korruptesten Regime der Geschichte; er verlangte unter anderem einen Anteil von 45 % von ausländischen Investitionen im Irak. Die Sunniten hatten keinen Staat, der sie schützte, und es war nur logisch, dass ein sunnitischer Führer schließlich einen neuen Staat vorschlug, der die sunnitischen Regionen von Syrien und des Irak einschloss. Leider war es Abu Bakr al-Baghdadi, dem die Errichtung eines sunnitischen Staates zufiel, dem nicht nur ein islamischer Staat, sondern auch ein neues Kalifat vorschwebte. Amerika hatte ein Dutzend Gelegenheiten, dies zu verhindern, war aber erfolglos.

Aus dem faszinierenden Bericht eines Überläufers auf der Website von Foreign Policy erfahren wir, dass die Dschihadisten dieser Region die Vorzüge, nicht staatliche Akteure gemäß dem Al-Kaida-Model zu sein, gegenüber einer Staatsbildung schon vor der Gründung von ISIS diskutiert haben. Der Überläufer berichtet von einem Treffen 2013, auf dem Al-Baghdadi die Gefolgschaft der Al-Kaida- bzw. der Al-Nusra-Kämpfer in Syrien verlangte.

Baghdadi sprach auch über die Gründung eines islamischen Staates in Syrien. Das sei wichtig, sagte er, weil Muslime eine „dwala“ bzw. einen Staat brauchen. Baghdadi wollte, dass Muslime ihr eigenes Territorium haben, von dem aus sie agieren und schließlich die Welt erobern können. … Die Teilnehmer aber waren anderer Meinung über die Gründung eines Staates. Während seiner ganze Existenz hatte Al-Kaida im Schatten als nichtstaatlicher Akteur gewirkt. Er hatte kein Territorium kontrolliert, stattdessen Gewaltakte von geheim gehaltenen Orten aus begangen. Eine Geheimorganisation zu bleiben, hatte einen großen Vorteil. Es war sehr schwierig für den Feind, sie zu finden, anzugreifen oder zu zerstören. Aber die Gründung eines Staates, so argumentierten die Dschihad-Führer während des Treffens, würde es dem Feind extrem erleichtern, sie zu finden und anzugreifen.

Trotz des vielfachen Widerspruchs, bestand Bahdadi auf seiner Meinung. Die Gründung und Führung eines Staates war von höchster Bedeutung für ihn. Bis zu diesem Punkt hatten Dschihadisten sich herumgetrieben ohne ihr eigenes Territorium zu kontrollieren. Baghdadi verlangte Grenzen, eine Bürgerschaft, Institutionen und eine funktionierende Bürokratie. Abu Ahmad fasste Baghdadis Forderung folgendermaßen zusammen: „Wenn so ein islamischer Staat seine Gründungsphase überlebt, dann wird es ihn für immer geben“.

Baghdadi setzte sich durch, nicht nur, weil er die Al-Kaida-Banden von seinem Projekt überzeugen, sondern auch, weil er eine große Anzahl von Offizieren aus Saddam Husseins aufgelöster Armee auf seine Seite ziehen konnte.

Amerika hatte die Gelegenheit, die sunnitisch dominierte irakische Armee nach der Invasion von 2003 zu „entbathifizieren“, in der Art wie es die deutsche Armee nach dem Zweiten Weltkrieg entnazifizierte. Stattdessen löste man sie auf. General Petraeus „surge“-Politik in den Jahren 2007-2008 erkaufte die temporäre Duldung durch die Sunniten mit hunderten Millionen Dollars Schmiergeld, aber bereitete zugleich die Bühne für einen künftigen sunnitischen Aufstand, wie ich bereits 2010 gewarnt habe.

Trump hat recht, die Bush-Regierung für das entstandene Chaos verantwortlich zu machen und auch Obama für den Rückzug der amerikanischen Truppen 2011. Nachdem der Schaden einmal angerichtet war, bestand die schlimmstmögliche Reaktion im Nichtstun (außer natürlich „moderate sunnitische Rebellen“ heimlich mit Waffen aus libyschen Arsenalen zu versorgen, die größtenteils in die Hände von Al-Kaida oder ISIS gelangt sind).

Jetzt befindet sich die Region in einem unaufhörlichen Krieg Aller gegen Alle. Die sunnitischen Milizen des Iraks, welche die nutzlose irakische Armee im Kampf gegen ISIS ersetzten, werden unter iranischem Kommando nach dem Modell der iranischen Revolutionären Garden reorganisiert. Die Kurden kämpfen gegen beide, ISIS und die syrische Regierung. ISIS kämpft sowohl gegen die Kurden, welche die effektivste Streitmacht darstellen, die ihm in Syrien entgegensteht, als auch gegen die Türken, welche versuchen, die Macht über die Kurden einzuschränken. Saudi-Arabien und Katar fahren fort, die Sunniten im Irak und Syrien zu unterstützen, was bedeutet, dass sie entweder ISIS oder die Al-Nusra-Front finanzieren.

Mittlerweile fliegt Russland Bombenangriffe auf Syrien von iranischen Flugplätzen aus. Abgesehen von der Absicht, die Vereinigten Staaten zu ärgern, hat Russland dort ein legitimes Interesse: Eine ganze Reihe von Diplomaten, die mit dem russischen Präsidenten gesprochen haben, haben mir gesagt, dass Putin jedem, der ihn fragt, erzählt, er unterstütze die iranischen Schiiten, weil alle russischen Muslime Sunniten sind. Russland fürchtet, dass ein dschihadistisches Regime im Irak oder in Syrien zu einer strategischen Drohung für Russland werden würde. Genau das hatte Al-Baghdadi im Sinn, wie die Geschichte des Überläufers in Foreign Policy deutlich macht:

Baghdadi hatte noch ein anderes überzeugendes Argument: Ein Staat würde eine Heimat für Muslime der ganzen Welt bieten. Da Al-Kaida immer aus dem Verborgenen operiert habe, war es für gewöhnliche Muslime schwierig, sich ihr anzuschließen. Aber ein islamischer Staat könnte Tausende, selbst Millionen von Dschihadisten anziehen. Er würde ein Magnet sein.

Was wir brauchen ist ein Abkommen und jemand der es schließt. Ich habe keine anderen Informationen über Trumps Denken als die Medienberichte, aber hier ist eine rohe Skizze, was er tun könnte.

Die irakischen Sunniten brauchen die richtige Mischung aus Ermutigung und Entmutigung. Die Entmutigung ist das, was Trump vorgeschlagen hat, ein „extremer“ und „brutaler“ Feldzug gegen diese Terroristenbande. Die Vereinigten Staaten und wer auch immer sich anschließen will (vielleicht die französische Fremdenlegion?) sollten ISIS vernichten. Das erfordert eine Mischung von rücksichtslosem Einsatz der Luftwaffe ohne Rücksicht auf Kollateralschäden sowie eine oder zwei Divisionen zu Land. Amerika sollte dabei nicht die Art von Soldaten einsetzen, welche der Nationalgarde beitreten, um ein Stipendium für die Uni zu bekommen. Wie Erik Prince vorgeschlagen hat, könnten private Unternehmen den Job billiger erledigen, zusammen mit dem umsichtigen Einsatz von Spezialeinheiten.

Während die Vereinigten Staaten ISIS aufreiben, sollten sie einen früheren irakischen General auftreiben, um eine sunnitische Zone im Irak zu führen, und frühere irakische Offiziere anwerben, um am Krieg gegen ISIS teilzunehmen. Zweifellos hat General Petraeus noch die Gehaltsliste von dem „Sunni Awakening“ (sunnitisches Erwachen) und den „Sons of Iraq“ (Söhne des Irak). Die Sunniten würden so die ermutigende Aussicht auf einen sunnitischen Staat erhalten, vorausgesetzt, dass sie mithelfen, die Terroristen zu vernichten.

Die Vereinigten Staaten würden die kurdischen Aspirationen auf einen eigenen Staat stillschweigend unterstützen und sie ermutigen, den Nordteil von Syrien entlang der türkischen Grenze zu kontrollieren. Wenn die Vereinigten Staaten nicht der Geburtshelfer eines kurdischen Staates sein wollen, werden es die Russen sein. Die Türken werden das nicht wollen; man wird ihnen erklären müssen, dass es in ihrem eigenen Interesse ist: Die Kurden in der Türkei haben doppelt so viele Kinder wie die ethnischen Türken und 2045 werden sie mehr Männer im militärdienstfähigen Alter haben als die Türken.

Vielleicht sollten die Vereinigten Staaten ein UN-überwachtes Referendum vorschlagen, das es den Provinzen mit kurdischer Mehrheit in der Südost-Türkei erlaubt, sich abzuspalten und sich mit den irakischen und syrischen Kurden in einem neuen Staat zu vereinen. Das wäre gut für die Türkei. Diejenigen, die mit „Ja“ stimmen, wären außerhalb der Türkei besser aufgehoben, und diejenigen die für einen Verbleib in der Türkei stimmen, hätten künftig keine Entschuldigung mehr, Separatisten zu unterstützen. Es gibt auch mehrere Millionen iranische Kurden und die Vereinigten Staaten sollten sie ermutigen, sich ebenfalls abzuspalten.

Das nächste Gespräch zwischen Donald Trump und Wladimir Putin könnte so ablaufen: „Hör mal, Wladimir, du sagst, du bist besorgt, die sunnitischen Terroristen könnten Russland destabilisieren. Wir werden all diese Terroristen killen oder Leute anheuern, sie für uns zu killen. Wir werden keine Dschihadisten bewaffnen, die euch Ärger machen, wie wir es in Afghanistan während des Kalten Krieges machten. Wir lassen euch in Ruhe, und ihr stört uns nicht. Ihr könnt eure Marinebasis in Syrien behalten, und die Alewiten bekommen ihren eigenen Staat im Nordwesten. Gib Basher Assad eine Villa auf der Krim und ersetze ihn durch irgendjemanden, den du magst. Die sunnitischen Gebiete von Syrien werden eine separate Enklave, zusammen mit Enklaven für die Drusen“.

Und Trump könnte hinzufügen: “Wir kümmern uns um die sunnitischen Terroristen. Jetzt helfen sie, Wladimur, uns gegen die Iraner oder wir werden es alleine machen und das wird ihnen nicht gefallen. Sie können mit uns zusammenarbeiten, und wir sagen den Iranern, sie müssen entweder auf ihre Zentrifugen und ihr Raketenprogramm verzichten, oder wir werden sie bombardieren. Sie werden nicht wollen, dass wir die S-300-Raketen, die sie dem Iran verkauften, wie Schrott aussehen lassen – das wäre nicht gut für das Waffengeschäft“.

“Und was die Ukraine betrifft, lass sie über eine Teilung abstimmen. Wenn die östliche Hälfte für den Anschluss an Russland stimmt, kriegt ihr sie. Wenn nicht bleibt ihr draußen oder der Teufel wird euch holen“.

Wie Trump sehr wohl weiß: Nicht jeder, wohl aber die Großaktionäre müssen mit einem Abkommen zufrieden sein. Die kleinen sind unwichtig.

Russland behält seine Marinebasis und erhält einige Gewissheit, dass der Dschihad im Nahen Osten nicht auf sein eigenes Territorium überschwappt. Die syrischen Alewiten und Sunniten können sich beide zu Siegern erklären. Die Kurden, welche die effektivsten Bodentruppen der Region haben, werden die großen Gewinner sein. Die irakischen Schiiten werden sich selbst regieren, aber sie werden nicht über die Sunniten und Kurden herrschen. Das ist eine bessere Situation, als sie sie während der letzten tausend Jahre hatten, als die Sunniten sie beherrschten. Der Türkei wird die Aussicht, einen großen Teil ihres Territoriums zu verlieren, nicht gefallen, obwohl es ihr ohne diesen besser gehen wird. Der Iran wird seine Aspirationen auf ein regionales Imperium begraben müssen. Das wird ihm nicht gefallen, aber wen stört’s?

Der Wiederaufbau von Amerikas militärischer Stärke, eines von Trumps Wahlkampfversprechen, ist die sine qua non für einen Erfolg. Russland und ebenso China sollten Amerikas technologischen Vorsprung heute ebenso fürchten, wie Gorbatschow Ronald Reagans „Stategic Defense Initiative“ in den 1980ern. Russland und China sind dabei, die technologische Lücke zu den Vereinigten Staaten zu schließen, und wenn die Vereinigten Staaten diesen Prozess nicht umkehren, wird alles andere, was sie tun, nichts bewirken.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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