Spengler auf Deutsch 37: Ted Cruz: Unsere letzte und unsere größte Hoffnung

Das Original erschien am 25. März 2016 unter dem Titel „Ted Cruz: Our Last, Best Hope“ in PJMedia.

Amerika braucht etwas Besseres als eine Feedbackschleife für populäre Ressentiments. Wir brauchen einen echten Präsidenten. Amerikas Elite ist arrogant und korrupt, aber der Zustand des amerikanischen Volkes ist fast ebenso alarmierend. 1790 wies Amerika eine Alphabetisierungsrate bei Erwachsenen von 90 % auf, als nur die Hälfte der Engländer und ein Fünftel der Spanier und Irländer ihren Namen schreiben konnte. Wir hatten die am besten erzogenen, die am höchsten motivierten und gesündesten Arbeitskräfte der Welt, und das mit einem überwältigenden Vorsprung.

Heute bilden Amerikaner im Alter von 16 bis 24 das Schlusslicht einer Evaluation von 22 Ländern in Bezug auf Rechnen, Lesen und das Lösen von technischen Problemen.

Das schlechte Abschneiden der Studenten sollte keine Überraschung sein. Die amerikanische Familie zerfällt. Nahezu 30 % der nicht-hispanischen weißen Kinder sind unehelich geboren, ebenso wie 53 % der hispanischen und 73 % der afroamerikanischen. Als Reagan das Amt übernahm, waren 18 % aller amerikanischen Geburten unehelich. 2014 waren es über 40 %.

Eine Aufholjagd reicht nicht, um aus dieser Misere herauszukommen. Wir brauchen nichts Geringeres als eine große nationale Wende. Es gibt zwei republikanische Kandidaten, die von Anfang an klargemacht haben, dass sie mehr als Dienst nach Vorschrift im Sinn haben – Ted Cruz und Donald Trump. Ein anderer Romney würde nichts ändern.

Sicher, unsere Eliten haben uns verkauft. Es gibt unbeschränktes Kapital für Investoren, um zwangsversteigerte Häuser zu kaufen, während die Hälfte der Amerikaner die nötigen Raten nicht bezahlten kann bzw. keine Hypotheken bekommt. Das Pentagon und die Rüstungsunternehmen haben eine Billion Dollar für die F-35 zum Fenster hinausgeworfen, die lahmste Kiste in der Geschichte der Militärfliegerei, und so jedes andere Beschaffungsprogramm verdrängt. Unsere Technologieunternehmen sind zu einer Verschwörung von Innovationsverhinderern mutiert; sie werden von Patentanwälten, statt von Ingenieuren geleitet. Die Finanzindustrie hat den größten Beschiss in der Geschichte zu verantworten, die Subprime-Blase der 2000er, und die Obamaregierung hat nicht einen Verantwortlichen in den Knast geschickt (statt dessen verurteilte sie die Aktionäre der Banken zu Milliarden Dollar-Bußen, das heißt ihren Pensionsfond oder ihre Rentenversicherung). Die Clintons sind ein kriminelles Unternehmen, wie Peter Schweizer in seinem Buch Clinton Cash gezeigt hat. Das außenpolitische Establishment behandelt die Welt als ein gigantisches Sozialexperiment und verschwendet Blut und Geld, um die Welt reif für Demokratie zu machen.

Das Resultat ist die korrupteste und katellierteste Wirtschaft der amerikanischen Geschichte. Das erste Mal, seit Statistiken geführt werden, tragen neu gegründete Unternehmen seit 2009 nahezu nichts zur Erholung des Arbeitsmarktes bei, wie ich hier am 2. März berichtet habe. Aber Donald Trump ermutigt Wunschdenken. Die Behauptung “Wir werden Amerika wieder groß machen”, indem wir mexikanische Illegale ausweisen und Jobs aus China zurückholen, ist Unsinn.

Unsere Eliten sind verrottet, aber das Volk ist angeschlagen und verwirrt. Nach der Generation der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung hat Amerika bei der Bildung von Eliten versagt. Aber wir brauchen immer noch Staatsmänner, die uns erheben, uns belehren, uns inspirieren. Selbsterzogene Außenseiter wie Abraham Lincoln und Ronald Reagan waren unsere fähigsten Staatsmänner, nicht die Absolventen von Harvard oder Yale. Lincoln mag Autodidakt gewesen sein, aber er war der tiefste Denker seiner Generation. Auch Reagan war Autodidakt, aber er hatte einen umfassenden und detaillierten Zugang zur Außenpolitik und war einer der Ersten, die sich zu Robert Mundells angebotsorientierter Wirtschaftspolitik bekannten. Sie waren auch von Grund auf gute Männer.

Ted Cruz ist ein begabter Außenseiter mit einzigartigen Führungsqualitäten. Er beherrscht das Verfassungsrecht brillant aus seiner Zeit als Generalstaatsanwalt des Staates Texas, er hat intimes Verständnis für wirtschaftliche Fragen aus seiner Zeit in der „Federal Trade Commission“, und eine klare Vision, was Amerika in der Außenpolitik tun und lassen sollte. Er war ein akademischer Superstar an Eliteuniversitäten, aber ließ sich durch seinen Erfolg nie zu Selbstgefälligkeit verleiten. Er ist zutiefst religiös. Er hat auch den Willen zu führen. Es ist keine Überraschung, dass seine Senatskollegen ihn nicht mögen: Als Präsident würde Cruz ein korruptes und behagliches Spiel beenden. Er hat das Gehirn, das Problem zu verstehen, und den Mut, die Hindernisse zu seiner Lösung beiseitezuschieben.

Donald Trumps Popularität beruht auf seiner Gabe, Politik als Fernsehshow zu betreiben. Die Amerikaner haben Eliten immer misstraut, aber die heutige populäre Kultur treibt dies zu einem pathologischen Extrem. Wir finden es anstößig, etwas zu bewundern, das besser ist als wir selbst. Stattdessen identifizieren wir uns mit dem, das wie wir selbst ist. Darum hören wir Sänger, die wie ein Betrunkener in einer Karaoke-Show klingen, statt Frank Sinatra. Darum ist Realitätsfernsehn so populär bei uns. Jeder kann dort ein Star werden. Wir lieben es, uns selbst im Spiegel zu sehen. Diese Mischung aus Nazismus und Ressentiment ist giftig. Trumps Kitsch-und-Prunk-Lebensstil ist ein nationales Paradigma für Erfolg geworden. Wir sind nicht Trumps Wähler, wir sind eine virtuelle Burleske.

Wir hören immer wieder, dass Trump ein Geschäftsmann ist, der die “Dinge in den Griff kriegt”. Das ist völlig falsch: die erfolgreichsten Geschäftsmänner sind sehr gut in einer sehr beschränkten Anzahl von Dingen. Große Unternehmer sind – wie George Gilder geschrieben hat –  die Art von Leuten, welche die ganze Nacht an einer besseren Straßenreinigung tüfteln. Trump ist nicht einmal ein besonders erfolgreicher Unternehmer. Hätte er die 100 Millionen Dollar, die er 1978 geerbt hatte, in einen Index-fond investiert, wäre er heute zwei Mal so reich, wie er tatsächlich ist. Als ein Casino-Investor hält er keinen Vergleich mit Sheldon Adelson aus, der als armer Mann begann und jetzt zehn Mal so reich wie Trump ist. Tatsächlich hat Trump den schlechtmöglichsten Hintergrund für einen Präsidenten: als Kind reicher Eltern, das ein privates Unternehmen führt, ist er daran gewohnt zu sagen: “Spring”, und dass seine Lakaien sagen, “Wie lange soll ich in der Luft stehen bleiben“?

Trump liest nicht. Er prahlt mit seiner eigenen Unwissenheit. Der Journalist Michael d’Antonio interviewte Trump in seinem Haus in New York und sagte einer deutschen Zeitung:[1]

„Bei meinem ersten Besuch fiel mir sofort auf, dass es da keine Bücher gab“, sagt d’Antonio. „Ein riesiger Palast und kein einziges Buch“. Er fragte Trump, ob es ein Buch gebe, dass ihn besonders beeinflusst habe. „Ich würde liebend gern lesen“, antwortete Trump. „Ich habe viele Bestseller verfasst, wie sie wissen, und ‚The Art of the Deal‘ war eines der am besten verkauften Bücher aller Zeiten“. Bald sprach Trump von ‚The Apprentice‘ (der Auszubildende). Trump nannte es die ‘Nr 1 unter den Fernsehshows’, eine Reality-Show, in der er über 14 Staffeln sich selbst spielte und Kandidaten demütigte, die um das Privileg einer Anstellung in seinem Unternehmen wetteiferten. In dem Interview sprach Trump eine Ewigkeit darüber wie fabelhaft und erfolgreich er ist, aber nannte nicht ein einziges Buch, das er nicht selbst geschrieben hatte.

“Trump liest nicht”, sagte d’Antonio in dem Restaurant. „Seit seiner Universitätszeit hat er nichts Ernsthaftes oder Grundlegendes über die amerikanische Gesellschaft gelernt. Und um ehrlich zu sein, ich glaube, er hat nicht mal an der Universität gelesen“. Als man Trump fragte, wer seine außenpolitischen Berater seien, antwortete er: „Nun, ich sehe die Shows“. Er bezog sich auf politische Talkshows im Fernsehen. 

Es mag sein, dass Trumps Wähler ebenfalls nicht lesen, aber sie sollten einen Präsidenten haben wollen, der etwas von den Problemen versteht, die er zu lösen verspricht.

Trump liegt schrecklich falsch über wichtige Themen. Amerikas wirtschaftliche Probleme sind nicht durch mexikanische Immigranten oder chinesische Importe verursacht, wie ich im letzten Juli dargelegt habe. Ich gebe ihm recht im Hinblick darauf, dass er die „Islam-ist-eine-Religion-des-Friedens“-Idiotie zurückweist, wie sie von George W. Bush, Barack Obama und Hillary Clinton vertreten wird. Eine Mehrheit der Amerikaner (46 % geben 40 %) unterstützt sein vorgeschlagenes Verbot muslimischer Immigration. Aber das ist der falsche Weg, das Problem anzugehen, richtig wäre, die Muslimbruderschaft als terroristische Organisation einzustufen, wie Cruz vorschlägt, und dann ihre Anhänger einzusammeln. Ich stimme Trump ebenfalls zu, dass er zu Beginn dieser Woche auf der AIPAC-Konferenz[2] den unsinnigen Nuklearvertrag mit dem Iran verrissen hat. Aber Cruz hat das sehr viel besser gemacht.

Solange Hitler oder Goebbels nicht aus ihren Gräbern aufstehen und sich um die Präsidentschaft bewerben, werde ich nicht für Hillary Clinton stimmen; in einem Trump-Clinton Wahlkampf werde ich ohne eine Sekunde zu zögern für Trump stimmen. Man kann ausschließen, dass Trump ein guter Präsident sein wird; er weiß wenig und erledigt die Dinge, so wie es ihm gerade in den Sinn kommt. So mag er gelegentlich über eine gute Lösung stolpern. Aber es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass er über Amerikas fortschreitenden Niedergang präsidieren und uns mit selbstmitleidigen Reden trösten wird.

Wir sind in ernsthaften Schwierigkeiten. Wir brauchen einen Präsidenten, der uns aus dem wirtschaftlichen und moralischen Morast herausführen kann. Ich fürchte, dass Ted Cruz unsere letzte und unsere beste Hoffnung ist, bevor wir früheren Supermächten wie Britannien abwärts auf dem schlüpfrigen Abhang zu nationaler Mittelmäßigkeit folgen.

[1] Da mir die deutsche Version des Artikels nicht greifbar war, übersetze ich aus dem Englischen ins Deutsche zurück. Anmerkung des Übersetzers.

[2] AIPAC = American Israel Public Affairs Committee. Am 21. März 2016 hat Donald Trump dort in einer Rede seine Position zu Israel und dem Nahen Osten erläutert.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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