Spengler auf Deutsch 70: Trumps Sieg war von vornherein absehbar

Das Original erschien am 8. November 2016 unter dem Titel “Trump’s Victory Was Obvious from the Outset” in PJMedia

 

Eine Wahlnacht in Amerika ist etwas Wunderbares. Was auch immer Sie über die Amerikaner sagen mögen, sie werden ernsthaft und bedacht, wenn sie ihre leitenden Politiker wählen. Sie begehen Irrtümer, aber sie haben die Möglichkeit, sie zu korrigieren. Kurz vor Mitternacht, nachdem die New York Times Trumps Gewinnwahrscheinlichkeit auf 95 % erhöht hatte, ging ich in eine irische Bar in der Nähe meines Hauses und unterhielt mich mit meinen Nachbarn. Viele hatten zögernd für Clinton gestimmt, einige – ebenfalls mit Vorbehalten – für Trump, aber alle hatten etwas Erregendes zu sagen, warum sie ihre Wahl getroffen hatten.

Lincoln hatte Recht: Man kann nicht alle Menschen immer hinters Licht führen. Hillary Clinton konnte die Amerikaner nicht überzeugen, das 2+2 = 5. Die Amerikaner wissen, dass ihr Leben schlechter geworden ist, ihre Kinder geringere Aussichten als sie haben, und das die Gelegenheiten zum Aufstieg verschwunden sind. Sie wollten jemanden, der ihre Besorgnisse ernst nimmt und große Dinge tut, um ihnen zu helfen. In den Vorwahlen verwarfen sie die Small-ball-Konservativen des republikanischen Mainstreams und wählten den Kandidaten, der nationale Größe versprach. Man hat Donald Trump vorgeworfen, er habe kein klares Programm. Das hat er auch nicht, aber das Volk ist nicht so kleinlich wie die Punditeska. Es weiß, dass die Voraussetzung für eine erfolgreiche Präsidentschaft die Erkenntnis ist, dass eher gigantische Schritte als kleine Schritte erforderlich sind. Es hat das Mandat dem Kandidaten gegeben, der ihm das versprochen hat, und es wird Donald Trump gewähren lassen, die Details auszuarbeiten.

Das ist der Grund, warum ich von Trumps Sieg seit langem überzeugt war. Ich habe am 12. September geschrieben: „Deplorably, Trump is Going to Win,“ und am 9. Oktober: „Trump Will Win the National Battle for Legitimacy.“ Die elitäre Verachtung für das Streben der meisten Amerikaner hat einen Gipfel der Arroganz erreicht, den die Amerikaner nicht zu ertragen gewillt sind. Donald Trump ist nicht der ideale Kandidat, seine Lebenserfahrung als Geschäftsführer eines Unternehmens im Familienbesitz hat ihm erlaubt, seinen Impulsen zu folgen, wohin auch immer sie ihn führten, und seine Genusssucht hat sich oft unvorteilhaft offenbart. Für die meisten Amerikaner hat ein Votum für Trump sorgfältige Überlegung erfordert, sie wogen die viel diskutierten Fehler des Mannes gegen das einfache Faktum, dass er verspricht, Risiken auf sich zu nehmen und neue Dinge zu versuchen, um Amerikas Größe wiederherzustellen. Ich glaube, er gleicht Franklin Roosevelt mehr als jedem anderen seiner Vorgänger. Franklin D. Roosevelt hat fast alles falsch gemacht, bis der Zweite Weltkrieg Amerika aus der Größen Depression holte, aber er hielt das soziale Gefüge zusammen, indem er den Amerikanern zeigte, dass er gewillt war, auch drastische Maßnahmen zu ergreifen, um eine unerträgliche Situation zu beenden.

Die #NeverTrumpers haben eine elitäre Verachtung für das amerikanische Volk gezeigt und die Interessen der republikanischen Partei ebenso wie die ihres Landes verraten. Großmut ist nicht die richtige Antwort auf diese Art von Betrug. Ein neuer republikanischer intellektueller Kern formt sich derzeit um die Claremont Review, das Journal of American Greatness und -mit Zustimmung unserer Sponsoren – um Publikationen wie PJMedia. Es ist an der Zeit, wagemutig und innovativ zu sein, zu erwägen, welche Politik den Niedergang des letzten Jahrzehnts umkehren wird und uns selbst von toten Gewicht verfehlter Ideologien zu entlasten. Harte Arbeit liegt vor uns. Packen wie sie an, ohne uns ablenken zu lassen.

 

Spengler auf Deutsch 69: Die Schlafwandler und Herr Trump

Das Original erschien am 5. November 2016 unter dem Titel “The sleepwalkers and Mr. Trump” in Asia Times.

Im Gegensatz zur herrschenden Meinung sollte die Welt auf einen Wahlsieg von Donald Trump am nächsten Dienstag hoffen. Die amerikanische Politik ist ein stinkender Morast, in dem Ideologie und Interessenspolitik ihre Führer von der realen Welt isoliert haben. Es ist nicht einfach so, dass Amerikas Politiker keine Fühlung mehr haben, sondern dass sie in ständigem Kontakt mit einem fiktiven konstruierten Weltbild sind, das die Möglichkeit für politische Kurskorrekturen ausschließt.

Amerikas politische Elite besteht aus Schlafwandlern, in der Art, in welcher der Historiker Christopher Clark die europäischen Politiker im August 1914 am Vorabend des Ersten Weltkriegs beschreibt. Fünf Jahre und 500.000 Tote nach dem desaströsen „Arabischen Frühling“ und dem Staatstreich in Libyen von 2011 hat die amerikanische Elite immer noch nicht verstanden, dass das heutige Chaos im Nahen Osten durch amerikanische Einmischung entstanden ist. Präsident Obama, Außenministerin Clinton und der McCain-Mainstream der Republikanischen Partei glauben leidenschaftlich, dass die arabische Welt mit ihrer tyrannischen Vergangenheit gebrochen hat und auf dem Weg zur Demokratie ist. Aber indem sie die alten Diktaturen zerstörten, öffneten die Vereinigten Staaten das Feld für ethnische und sektiererische Kriege. In Syrien herrscht Bürgerkrieg, der Irak steht kurz davor und selbst die Türkei ist gefährdet.

Überprüfen wir die Kritik an Herrn Trump durch General Michael Hayden, Direktor des CIA von 2006-2009. General Hayden nennt Trump in einem Artikel in der Washington Post dieser Woche „Putins nützlichen Idioten“; er schreibt „Trump gleicht Putin auch, wenn es um Syrien und den Islamischen Staat oder ISIS geht. Er folgt hier Moskaus Linie, dass wir und die Russen ein gemeinsames Interesse haben und das Russland und Syriens Diktator Bashar al-Assad (und der Iran) den “ISIS killen.”

“Tatsächlich aber ist es nicht so,” fährt General Hayden fort. “Sie (die Russen) unterstützen das Assad-Regime, das, sollte jemand mitgezählt haben, mehr Unschuldige umgebracht hat als der Islamische Staat und Jabhat al-Nusra, der Partner von Al-Kaida, zusammen. Und die Attraktivität des Islamischen Staates und Al- Kaida für sunnitische Muslime ist ein direktes Beiprodukt der Verwüstungen des Assad-Regimes – das Regime, welches Russland vor einem Jahr vor dem Kollaps bewahrt hat“.

Das sind alles Wahnideen. Der Grund, warum sunnitische Araber den Islamischen Staat unterstützen, besteht darin, dass die Vereinigten Staaten den einzigen sunnitischen arabischen Staat in der Levante und Mesopotamien, nämlich den Irak, zerstört und dort einen schiitischen Staat (unter Nouri Maliki) im Jahre 2007 etabliert haben. Die Sunniten revoltierten und die amerikanische Besatzungsmacht unter General Petraeus bezahlte ihnen Hunderte von Millionen Dollar, um Zeit zu kaufen. Nach Jahren, in denen die sunnitische Opposition die Form eines nichtstaatlichen Akteurs gehabt hatte, nämlich als Al-Kaida, erklärte ISIS, dass es an der Zeit sei, einen sunnitischen Staat zu bilden, und machte sich selbst so zu einem Magneten sunnitische Unterstützung.

Die schiitischen Milizen, geführt von iranischen Offizieren, welche die Vereinigten Staaten gegen ISIS unterstützen, sind fast so brutal wie ISIS selbst. So werden konfessionelle Kriege in diesem Teil der Welt eben geführt. Die „moderaten sunnitischen Islamisten“, die General Hayden und seine Nachfolger beim CIA mit Waffen aus den libyschen Depots versorgten, waren immer von Al-Kaida, aber mit einer anderen Visitenkarte.

Wie ich schon am 9. Aug. bemerkte: General Hayden glaubt immer noch, dass die Vereinigten Staaten Islamisten wie die Muslimbruderschaft ermutigen sollten, die Macht im Nahen Osten auszuüben. Er sagte mir letztes Jahr, dass er enttäuscht gewesen sei, dass das ägyptische Militär die Regierung der Muslimbruderschaft von Mohamed Morsi gestürzt habe, bevor sie die Möglichkeit hatte, sich um die Müllabfuhr und andere öffentliche Dienstleistungen zu kümmern und sich selbst zu einer gemäßigten politischen Kraft zu entwickeln. Indem sie „moderate“ Dschihadisten bewaffneten, pumpten General Hayden und seine Kollegen vom CIA Benzin in die sektiererischen Feuer der Region. Generalmajor Daniel P. Bolger hat dieses Desaster bereits 2014 in seinen exzellenten Kriegsmemoiren „Why We Lost“ beschrieben.

Es war für jeden mit Augen im Kopf offensichtlich, dass die sunnitischen Aufständigen sich auf den Ruf eines islamischen Staates zusammenschliessen würden. General Michael Flynn, ein Berufsoffizier und lebenslanger Demokrat, der die „Defense Intelligence Agency“ 2011 und 2012 leitete, hat versucht, die Obamaregierung zu warnen, dass ISIS eine ernsthafte Bedrohung geworden ist. Seine Berichte wurden ignoriert. Wie Flynn später berichtet hat: „Ich denke, sie entsprachen nicht dem Narrativ, welches das Weiße Haus wollte“.

General Flynn ist jetzt Donald Trumps nationaler Sicherheitsberater, und seine Ansichten hat er in einem 2016 erschienenen Buch öffentlich gemacht, das er zusammen mit Michael Ledeen verfasst hat.

Flynn zeigt keine Sympathie für Russland. Ganz im Gegenteil betont er Russlands Unterstützung für den Iran als Beweis für seine ideologische Affinität zu der Islamischen Republik: „Es ist das alte Rezept: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Putin hat die Vereinigten Staaten (und die NATO generell) zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit Russlands erklärt, und ‚Tod den Amerikanern‘ ist der offizielle Gesang der islamischen Republik Iran. Sowohl die Putinisten als auch die radikalen iranischen Muslime stimmen in der Identität ihres Hauptfeindes überein. Ein Teil der Antwort besteht sicher darin, dass ihre Allianz einfach die logische Folge ihrer Feindseligkeit gegen Amerika ist … Die Russen und Iraner haben mehr gemeinsam als einen gemeinsamen Feind. Sie teilen auch die Verachtung für Demokratie und stimmen überein – das gilt für alle Mitglieder der feindlichen Allianz – dass eine Diktatur, ein Imperium, ein Kalifat eine überlegene Methode sind, ein Land zu regieren.

Das scheint mir zu einfach. Russland (wie China) hat keine schiitische muslimische Bevölkerung, seine Besorgnis über heimische Stabilität betrifft ausschließlich Sunniten. Die Schiiten sind ein natürlicher Verbündeter, trotz des Fakts (wie Flynn und Ledeen bemerken), dass der Iran versucht hat, zu den russischen und zentralasiatischen Muslimen vorzudringen. Aber diese Versuche waren schwach und ohne Folgen. Seien wir fair zu Putin. Amerikas grobe Fehler im Nahen Osten ließen den sunnitischen Djschin aus der Flasche, die Saddam Hussein lang verschlossen gehalten hatte, und das ist eine Bedrohung russischer Interessen. Es waren amerikanische Irrtümer, die Russland zwangen, eine führende Rolle in der Region zu übernehmen, ob Putin nun die Vereinigten Staaten unterminieren wollte oder nicht. So hat Putin seine Haltung auswärtigen Politikern erklärt, mit denen ich gesprochen habe. Russland hat nicht vergessen, wie effektiv Amerikas Unterstützung für Dschihadisten im Afghanischen Krieg von 1980 war. Wenn Washington Russland zu destabilisieren wünscht, wären sunnitische Militante ein effektives Mittel der Subversion. So etwas zu tun wäre meines Erachtens dumm und gefährlich, aber Moskau kann nicht ausschließen, dass die Vereinigten Staaten in Zukunft so handeln könnte (Ich glaube nicht, dass die Obamaregierung so etwas vor hat).

Putin glaubt auch, dass Washington den Maidan-Staatsstreich in der Ukraine von 2014 in der Absicht unterstützt hat, um durch ihn zu einem Regierungswechsel in Russland beizutragen. Ich weiß nicht, ob diese Einschätzung korrekt ist, aber einige Leute in Washington hatten diese Idee.

Moskau hat auch ohne Putins ideologische Vorlieben eine Anzahl von praktischen Gründen, den Vereinigten Staaten das Leben schwer zu machen. Leider hat es auch die Mittel, das zu tun. Während die Vereinigten Staaten vielleicht 5 Billionen Dollar im Irak, Afghanistan und ähnlichen Abenteuern ausgaben, investierte Moskau eine erheblich geringere Summe in Flugabwehr-Systeme, die in der Lage sein könnten, amerikanische Jagdflugzeuge der fünften Generation abzuschießen. Washington weiß nicht, wie gut die russischen S-300 und S-400 Boden-Luft-Raketen sind, und will es nicht herausfinden.

Ihre Inkompetenz ist so allumfassend, dass es schwierig ist, einen höheren Beamten der George W. Bush oder Obama-Regierung zu finden, der nicht von ihr angesteckt wäre. General Flynn, der gefeuert wurde, weil der das offizielle Märchen in Zweifel zog, ist eine Ausnahme. Amerikas außenpolitische Elite lehnt es größtenteils ab, die Verantwortung für ihre Fehlschläge zu übernehmen. Ihre Reputation würde durch Frau Clinton gesichert werden, die bei alledem eine von ihnen ist. Der Kreis des Selbstschutzes ist so eng gefügt, dass nichts außer einem Außenseiter, der durch die Demütigung der alten Garde nichts zu verlieren hat, ein Mindestmaß an Kompetenz in Amerikas Politik wiederherstellen kann.

Spengler auf Deutsch 68: Die FBI-Agenten, die für die Herrschaft des Gesetzes aufgestanden sind, machen mich stolz, Amerikaner zu sein

 

Das Original erschien am 31. Oktober 2016 unter dem Titel „The FBI Agents Who Stood Up for Rule of Law Make Me Proud to be an American” in PJMedia.

Man hört häufig, dass Amerika sich in eine Dritte-Welt-Kleptokratie verwandelt. Ich habe in einer ganzen Reihe von Dritte-Welt-Kleptokratien gearbeitet, damals in den Tagen als die Reagan-Revolution begann und wir Reagananhänger dachten, wir könnten Freie Märkte und Demokratie in die ganze Welt exportieren. Natürlich konnten wir das nicht. Aber ich hatte Gelegenheit, aus erster Hand zu sehen, was eine Bananenrepublik vom „Land der Freien und der Heimat der Tapferen“[1] unterscheidet. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass einige Personen die Entschlossenheit haben, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen ihren Job zu machen – sie schauen nicht nach rechts und links, akzeptieren keine gefüllten Briefumschläge oder ihr Äquivalent, einen fetten Posten nach Beendigung des Regierungsdienstes. Sie behandeln ihren Job wie ein geheiligtes Unterpfand, das ihnen vom Volk anvertraut wurde.

Irgendwo gibt es eine Handvoll von FBI-Agenten, die entschieden haben, ihre Jobs zu machen – d. h. ein Ende zu machen mit der Verschleierung von Clintons privatem Email-Server, mit dessen Hilfe Hillary ihr hohes Amt in einen Goldesel verwandelte. Ich weiß nicht, wer sie sind, oder auch nur, wie es passiert ist, aber einige Männer und Frauen sagten FBI-Direktor James Comey, wenn er nicht vorangehe, dann würden sie es tun – und sie hatten genug Beweismaterial, um Comey die Daumenschrauben anzulegen. Wir wissen das aus Devlin Barretts Reportage im “Wall Street Journal“. Barrett schreibt:

“Die neue Untersuchung, die FBI-Direktor James Comey am Freitag bekanntgab, offenbart eine Dienststelle, die zeitweise scharfe interne Auseinandersetzungen über den Fall Clinton führte, und wie man solche Fragen fair und angemessen mitten in einem nationalen Wahlkampf behandelt. Selbst als eine Probe aus Frau Clintons Email-Gebrauch im Juli durchsickerte, erhitzten sich innere Streitigkeiten innerhalb des Büros und im Justizministerium über Clintons familiäre Wohltätigkeit. So berichten Gewährsmänner, die mit dem Thema vertraut sind“.

Die unbesungenen Helden vom FBI setzen einiges aus Spiel. Sie wissen, dass sie ihre Karrieren riskieren, vielleicht gar ihre Pensionen. Gut möglich, dass sie ihre Kinder auf ein öffentliches College statt auf eine Privatuniversität schicken müssen, und dass sie eher eine Wohnung mieten als ein Haus kaufen können. Das ist der Einsatz, den mittlere Beamte riskieren, wenn sie gegen das System aufbegehren. Aber sie haben es getan, weil sie ihren Job machen mussten. Es war ihr Job, nicht der eines anderen, wenn sie ihn nicht machten, dann würde niemand ihn erledigen, und sie würden nicht hinnehmen, dass ihnen irgendjemand erzählt, sie hätten ihren Job, die Öffentlichkeit zu schützen, nicht gemacht.

“12 Uhr Mittags” kommt einem in den Sinn. Der Sheriff, dargestellt von Gary Cooper, steht einer Gangsterbande gegenüber aus keinem andern Grund als dass es sein Job ist, das zu tun. Es ist der letzte Tag seiner Amtszeit, die Leute drängen ihn, zu fliehen und nicht zu kämpfen. Es ist keine existentielle Geste a la Hemingway. Er hat Angst und ist verletzt. Er fühlt keine Zuneigung für die feigen Bürger. Aber er wird seinen Job nicht unausgeführt lassen.

Wenn Sie eine Republik wollen, dann müssen sie Ihre persönlichen Interessen für das Gemeinwohl aufopfern, wenn Sie dazu berufen werden. Wer die Wahl trifft, das Recht durchzusetzen oder Feuer zu bekämpfen oder im Militär zu dienen, weiß, dass es eines Tages zu seinem Job gehören mag, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Aber das gleiche gilt in geringerem Maße für jeden Bürger. In lateinamerikanischen Kleptokratien nimmt der Mann, dessen Job es ist, Ihnen das Gas abzustellen, wenn Sie Ihre Gasrechnung nicht bezahlen, statt dessen ein Bestechungsgeld, das er größtenteils an seine Vorgesetzten weiterreicht. Der Regierungsbeamte nimmt ein Bestechungsgeld, um Ihnen ein Formular zu geben, dass Sie ausfüllen müssen, wenn sie Holz von Michoacán nach Mexiko-City verschiffen wollen, ein Formular, das sie dann mit einem weiteren Bestechungsgeld im Büro nebenan präsentieren, und so weiter. Jedermann ist bestechlich. Das System korrumpiert jeden. Wenn Sie ehrlich bleiben wollen, emigrieren Sie.

Die Herrschaft des Gesetzes ruht auf dem moralischen Gegenstück der dünnen roten Linie[2]. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hängt das Schicksal eines Landes an einer Handvoll seiner Bürger, die mit den Angreifern fertig werden müssen: den Fronttruppen, den Marines auf Iwo Jima, den Piloten in der Luftschlacht um England. Diejenigen, deren Job es ist, das Recht aufrecht zu erhalten, müssen dies auch unter Inkaufnahme persönlicher Risiken tun. Was eine große Nation von einer Bananenrepublik unterscheidet, ist ihre Fähigkeit, genug solche Leute zu finden, die, wenn der Zeitpunkt kommt, ihren Job machen. In einer Bananenrepublik bekämpft – mit seltenen Ausnahmen – niemand das System, und wer es tut, wird fast immer umgebracht, wie Luis Donaldo Colosio in Mexiko im Jahre 1994.

Ich habe lange gewartet, dass ein Präsidentschaftsbewerber aufsteht und die Wahrheit über Korruption in Washington sagt. Donald Trumps New Hampshire Rede leistete dies am letzten Freitagnachmittag. Trump macht seinen Job. Sein Job besteht darin, mit einer großen Pumpe zu kommen und den Sumpf trockenzulegen, und er macht ihn – und er verdient die Unterstützung jeden Amerikaners. Aber er würde es nicht können ohne die tapferen Männer in mittleren Positionen des FBI, die ihre Pflicht taten. Ich kenne ihre Namen nicht. Aber sie machen mich stolz, Amerikaner zu sein.

[1] Spengler zitiert hier die amerikanische Nationalhymne (The Star-Spangled Banner).

[2] Anspielung auf Rudyard Kiplings Gedicht „Tommy“ aus den Barrack-Room-Ballads, in dem Kipling Infanteristen als „the thin red line of ‚eroes“ beschreibt. Kiplings Gedicht spielt an auf die Taten britischer Soldaten im Krimkrieg, insbesondere in der Schlacht bei Balaklava. Hier wehrte eine „dünne rote Linie“ (die britischen Soldaten trugen rote Uniformen) eine zahlenmäßig weit überlegene russische Kavallerieattacke ab. Seither sprichwörtlich für entschlossenen Widerstand gegen feindliche Übermacht.

Spengler auf Deutsch 63: Das Dach der Echokammer hebt ab

Das Original erschien am 20. Oktober 2016 unter den Titel “The Roof Blows Off the Echo Chamber” in PJMedia.

 

„Wir haben eine Echokammer[1] geschaffen. Sie sagten Dinge, die bestätigten, was wir ihnen zu sagen vorgegeben hatten. In Abwesenheit eines rationalen Diskurses reden wir in Phrasen … Der durchschnittliche Reporter, mit dem wir sprechen, ist 27 Jahre alt, und seine einzige Erfahrung als Reporter besteht aus politischen Kampagnen. Das ist eine grundlegende Veränderung. Sie wissen wirklich nichts“.

So sprach ein gewisser Ben Rhodes, literarischer Dilettant und Möchtegern-Don DeLillo, in einem verblüffenden Interview-Essay durch David Samuels in der „New York Times” vom letzten Mai. Rhodes beschreibt dort, wie man der amerikanischen Zivilgesellschaft den Nuklearvertrag mit dem Iran schmackhaft gemacht hat, nämlich durch Ignoranten in den Medien, die pflichtschuldig die Echos wiederholten, welche aus dem Regierungsstall vermeintlich unabhängiger Experten kamen. Aber das „Echokammerprinzip“ trifft auf alles zu, was die Medien des Establishments dem Publikum weismachen wollen. Das Schlimme mit Echokammern ist aber, dass positive Rückmeldungen das Dach abheben lassen können. Das ist es, was gerade jetzt in der amerikanischen Politik vorgeht.

Es gibt keinen Nachrichtenaustausch. Es gibt keine nationale Debatte. Es gibt keinen Ed Murrow, keinen Walter Cronkite, keine Person mit Autorität, zu der das Publikum ein gewisses Vertrauen hat, sie werde die relevanten Fakten präsentieren. Statt dessen hatten wir so viele Lügen, Verschleierungen, aufgedeckte Verschleierungen, neue Lügen, neue Verschleierungen und neue aufgedeckte Verschleierungen, dass selbst die Experten mit Informationen überlastet sind. Was aber geht im Hirn eines durchschnittlichen Wählers mit geringem Interesse an Politik vor, der täglich zehn bis 15 Minuten die Nachrichten sieht?

Die Antwort ist: Fast alles, was Sie sich vorstellen können. Gemäß einer Untersuchung von Pew Research empfangen zweiundsechzig Prozent der Amerikaner zumindest einige ihrer Nachrichten über Soziale Medien und der Anteil wächst schnell. Facebook und andere soziale Medien erlauben es, den Nachrichtenkonsum individuell auf der Basis von Empfehlungen und Re-Postings von Freunden anzupassen, und Nachrichtenkonsumenten verlassen sich zunehmend mehr auf ihr Netzwerk als auf die Medien.

Auf diese Weise verwandelte sich Steve Bannons “Breitbart News”-Organisation mit ihrer ausgefallenen Mischung aus saftigem Klatsch und rechter Politik fast über Nacht in ein ernstzunehmendes Medium. Auf diese Weise erhielt Drudge Report[2] 1.47 Milliarden Seitenbesuche im Juli. Niemand weiß, was die Amerikaner glauben. Nur einer von neun Amerikanern glaubt, dass Hillary Clinton „ehrlich und glaubwürdig“ ist. Sie haben kein Vertrauen in die Verschleierung ihrer Vergehen durch die Medien, und die Verschleierung der Verschleierung der Verschleierung.

Glauben sie, was der National Enquirer an die Spitze seiner Website setzte, dass Hillary ihre Handlanger lesbische Rendezvous arrangieren ließ? Glauben sie, dass Hillary Muslime „sand N—ers“ (sandfarbige Nigger) genannt hat? Glauben sie, dass die Clintons für 46 unaufgeklärte Selbstmorde verantwortlich sind? Oder glauben sie einfach, dass Bill und Hillary 250 Millionen Dollar einnahmen, indem sie ihren Einfluss verkauften, einen privaten Email-Server nutzen, um ihre Eigenmächtigkeiten im Außenministerium zu verbergen, und logen, bis sie schwarz wurden, als man sie ertappte.

Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, was die Leute denken. Für die meisten Amerikaner ist es unmöglich, sich ein Urteil zu bilden, mit dem sie zufrieden sind, weil sie keine Informationsquellen haben, denen sie vertrauen können. Bei Fox News herrscht ein Bürgerkrieg zwischen Pro- und Anti-Trump Republikanern. Die anderen großen Netzwerke stehen auf Seiten Hillarys. Die etablierten Medien haben an Glaubwürdigkeit verloren. In einer Gallup Umfrage vom September sagten nur 32 % der Amerikaner, sie hätten „großes“ oder „ziemlich viel“ Vertrauen in die Nachrichten der Medien. Das ist der niedrigste Stand in der Geschichte und sollte keine Überraschung sein: Die großen Medien mussten alle paar Tage eine neue Verschleierung zusammenstoppeln, noch bevor sie die vorangegangene Lügengeschichte richtig beendet hatten.

Das ist der Grund, warum Amerikaner nicht einfach die Abendnachrichten ansehen und ins Bett gehen. Sie lesen die Gerüchte im Internet und leiten sie an ihre Freunde weiter. Sie schaffen Netzwerke von Personen, denen sie vertrauen, in der Hoffnung, eine korrekte Darstellung dessen zu finden, was um sie herum vorgeht.

Darum glaube ich immer noch, dass die Wahl an Donald J. Trump gehen wird. Die Umfragen sind bedeutungslos. Ansichten ändern sich so schnell wie der neue Terminator in dem geschmolzenen Stahlbottich am Ende des Films. Und wenn die Amerikaner schließlich in die Wahlkabine gehen, dann wird ihnen kein Grund einfallen, für Hillary Clinton zu stimmen, sondern nur Gründe, gegen Trump zu stimmen. Es gibt weit mehr überzeugende Gründe, gegen Clinton zu stimmen. Aber so wird die Wahl ablaufen.

[1] Im Englischen ist “Echo chamber” eine metaphorische Beschreibung eines Zustandes, in dem Informationen sich durch Weiterleitung und Wiederholung innerhalb eines geschlossenen Systems immer weiter verstärken, während abweichende oder widersprechende Informationen zensiert oder auf andere Weise unterdrückt werden.

[2] Drudge Report ist eine konservative amerikanische Nachrichtenwebsite.

Spengler auf Deutsch 62: Hillarys Flugverbots-Patzer und Trumps verpasste Gelegenheit

Das Original erschien am 11. Oktober 2016 unter dem Titel „Hillary’s no-fly gaffe and Trump’s missed opportunity“ in Asia Times.

Der extremste Fehler in der Präsidentschaftsdebatte vom 9. Oktober war Hillary Clintons Vorschlag für eine Flugverbotszone in Syrien. Die demokratische Kandidatin erklärte: „Ich, als ich Außenministerin war, habe Flugverbotszonen und Sicherheitszonen befürwortet und befürworte sie auch heute. Wir brauchen ein Druckmittel auf die Russen, weil sie nicht für eine diplomatische Lösung an den Verhandlungstisch kommen werden, bis wir nicht einen gewissen Druck ausüben können“. Weder Donald Trump, noch die Moderatoren der Debatte erwähnten das Offensichtliche: Infolge der russischen Flugabwehr lässt sich eine Flugverbotszone nicht durchsetzen.

Der größere Zusammenhang – den ein republikanischer Herausforderer gut ausbeuten könnte – besteht darin, dass die amerikanische Überlegenheit in Flugabwehrsystemen unter der Obamaregierung so weit erodiert ist, dass Russland die Fähigkeit haben könnte, selbst Tarnkappenflugzeuge abzuschießen. Das Pentagon weiß die Antwort auf diese Frage nicht und will sie verständlicherweise nicht herausfinden. Das Problem ist nicht, ob Amerika und Russland wegen eines abgeschossenen amerikanischen Flugzeugs in einen Krieg eintreten. Das ist höchst unwahrscheinlich. Aber Amerikas strategische Glaubwürdigkeit würde einen schweren Schlag erleiden, wenn Tarnkappenbomber nicht länger russische Flugabwehrraketen austricksen könnten.

Russland hat bereits ein S-400 Flugabwehrsystem in Syrien installiert, das Kampfflugzeuge abschießen kann, und angekündigt, dass es das S-400 durch das S-300V-System ergänzen wird. Damit erweitert sich die Reichweite der russischen Flugabwehr in der Region um 250 Meilen (400 km). Die „Military Times“ vom 8. Oktober zitiert Steve Zolaga, einen Verteidigungsspezialisten der „Teal Group“. Er warnt: „Die Russen dürften gemerkt haben, dass sie eine gewisse Kapazität brauchen, um mit einem ausgewachsenen amerikanischen Luftschlag fertig zu werden. Die Russen kommen manchmal mit wirklich paranoiden Szenarios, wo sie den Krieg als unmittelbar bevorstehend ansehen. Wenn sie eine paranoide Einschätzung der westlichen Intentionen haben, dann hat die S-300V einen gewissen Sinn“. In Anbetracht von Clintons Vorschlag erscheinen die russischen Vorbereitungen weniger paranoid als vorausschauend.

Die Obama-Regierung hat sich bereits von Clintons Flugverbotsvorschlag distanziert, weil sie das Morden auf dem Boden nicht beenden würde. Aber das Insistieren der früheren Außenministerin auf Flugverbotszonen verrät eine völlige Ignoranz über den Zustand von Amerikas Verteidigung und ebenso über die potentielle Anwendung der amerikanischen Militärmacht.

Sachdienlicher ist eine einfache Analyse der Kapazitäten. Amerikanische Verteidigungsexperten wissen, dass Russland an einem fortgeschrittenen Radar arbeitet, das niedrig fliegende Aufklärungsflugzeuge identifizieren und anvisieren kann. Der Verteidigungsspezialist vom „National Interest“, Dave Majumdar, hat diese Frage in einem Überblick vom August 2016 erörtert. Mike Kofman von der „CNA Corporation“ meinte gegenüber NI: „Russland hat in niederfrequente Frühwarnradars investiert, von denen einige sehr gute Varianten fertig sind. Aber kann es sie nutzen, um ein gutes Bild und um einen Kurs gegen niedrig fliegende Aufklärungsflugzeuge zu bekommen“?

Amerikanische Experten argumentieren, dass die besten russischen Systeme wahrscheinlich die amerikanischen Flugzeuge der vierten Generation abschießen können (die Varianten der F-15, F-16 und F-18), aber dass sie nicht in der Lage sind, die F-22 Raptor zu schlagen – noch. Prorussische Medien wie Russia Insider behaupten, dass die nächste Generation der russischen Flugabwehr, das S-500-System, dessen Einsatzbereitschaft für 2017 vorgesehen ist, „die F-35 in Rente schicken wird“. Die Frage ist nicht, ob russisches Radar Tarnkappenflugzeuge orten kann, sondern ob es das schnell und akkurat genug kann, um Raketen ins Ziel zu leiten. Das bleibt eine unbeantwortete Frage. Ein höherer Beamter des Verteidigungsministeriums sagte in einem Hintergrundgespräch, dass das Pentagon die Antwort nicht kenne und sie nicht gewaltsam herausfinden wolle.

Der Skandal liegt in der Unsicherheit. Mit 1,5 Billionen Dollar ist der F-35 Tarnkappenjäger das teuerste Rüstungsprogram in der Geschichte der Kriegführung; er ist so teuer, dass er Alternativen aus dem amerikanischen Verteidigungsbudget verdrängt hat. Abgesehen von zahlreichen operationellen Problemen, welche das F-35-Program belasten, besteht das Risiko, dass das Konzept des Programms in fataler Weise fehlerhaft ist, selbst wenn das Flugzeug kann, was es können soll. Wenn russisches Flugabwehrradar die F-35 besiegen kann, dann haben die Vereinigten Staaten die meisten ihrer Eier in einen sehr zerbrechlichen Korb gelegt

Das ist eine bemerkenswerte Umkehrung der Verhältnisse von 1982, als die bessere Bordelektronik der Amerikaner und Israelis ein russisches Boden-Luft-Raketenabwehrnetzwerk in Syrien ausschaltete, was der israelischen Luftwaffe erlaubte, 90 in Russland gebaute Jagdflugzeuge an einem einzigen Tag zu zerstören – das sogenannte Truthahnschießen im Bekka-Tal. Der Kollaps der in Russland gebauten Luftabwehr und die Niederlage der damals modernen russischen Flugzeuge trug dazu bei, die russische militärische Führung zu überzeugen, dass sie einen Krieg gegen die Vereinigten Staaten nicht gewinnen konnte. Es war eine von mehreren Entwicklungen, einschließlich des russischen Debakels in Afghanistan, der Verschiebung in der strategischen Balance an der europäischen Front infolge der Aufstellung von Pershing Mittelstreckenraketen und der amerikanische „Strategic Defense Initiative“, welche den Kalten Krieg gewannen.

Die Vereinigten Staaten haben etwa 4 Billionen Dollar verschwendet, um Nationen in Irak und Afghanistan zu bilden. Seit den frühen 1990er Jahren ist das Budget für Forschung und Entwicklung des Verteidigungsministeriums – gemessen am Prozentsatz vom Bruttoinlandsprodukt – um die Hälfte gefallen, und ein überproportional großer Anteil des verbleibenden Forschungsbudgets wurde in das F-35 Programm geleitet. Mit weit geringeren Ressourcen hat Russland eine glaubwürdige Herausforderung der amerikanischen Luftüberlegenheit auf die Beine gestellt. Man sollte meinen, dass dieser Punkt eine wichtige Rolle in der amerikanischen Präsidentschaftskampagne spielen würde. Donald Trump hat sich vage über die Notwendigkeit ausgesprochen, Amerikas Militär wiederaufzubauen. In der Debatte der letzten Nacht hat er die Gelegenheit verpasst, diese seiner Gegnerin detailliert aufs Butterbrot zu schmieren.

Spengler auf Deutsch 61: Trump wird die nationale Schlacht um Legitimität gewinnen

Das Original erschien am 9. Oktober 2016 unter dem Titel „Trump Will Win the National Battle for Legitimacy“ in PJMedia

Der Ringrichter hätte in der zehnten Runde abbrechen sollen. In seiner Attacke sagte Donald Trump: „Hillary hat die Macht ihres Amtes genutzt, um 250 Millionen Dollar zu kassieren. Warum investieren Sie nicht etwas davon? Sie machten eine Menge Geld, als sie Außenministerin waren. Warum stecken Sie nicht etwas Geld in ihre eigene Kampagne? Nur aus Neugier“: Schwankend und in den Seilen hängend japste Clinton, dass sie … den zweiten Verfassungszusatz befürwortet. Es war ein brilliantes rhetorisches Manöver: über Kampagnenfinanzierung sprechend flocht Trump eine Andeutung ein, dass Clinton sich bereichert habe, indem sie die Macht ihres Amtes für persönliche Zwecke nutzte – und Clinton antwortete nicht einmal. Das ist ein Sieg durch KO.

Das ist der entscheidende Punkt der Kampagne: die korrupten Machenschaften einer herrschenden Elite, die sich selbst über dem Gesetz sieht, und der Zorn des amerikanischen Volkes gegen die oligarchisch herrschende Klasse, welche die Leiter hinter sich hochgezogen hat. Trumps Treffer unter Clintons Wasserlinie kam am Ende der Debatte, gut vorbereitet durch Tiefschläge über Clintons gelöschte E-mails und Bills Vergewaltigungen. Trump gebrauchte das „G“-Wort – „Gefängnis“. Das war vielleicht der wichtigste Moment des Abends. Das ist keine Wahl über konkurrierende politische Konzepte, sondern ein Kampf um Legitimität. Ein sehr großer Teil der Wählerschaft (ein wie großer Teil werden wir nächsten Monat sehen) glaubt, dass ihre Regierung nicht länger legitim ist, dass sie das Instrument einer geschlossenen, Vetternwirtschaft treibenden Oligarchie geworden ist.

Im Großen und Ganzen stimme ich dem zu. „Amerikas Wirtschaft ist korrupt, kartellisiert und gegen Wettbewerb,“ habe ich schon im August geschrieben. Es ist typisch für Vetternwirtschaft, dass Lockheed Martins Aktienkurs sich in letzten drei Jahren verdreifacht hat und die Bezahlung seines Topmanagement-Teams von 12 Millionen pro Jahr auf über 60 Millionen Dollar gesteigert hat[1]. Mach Mist und werde reich damit: das ist Washington. Es ist keine triviale Angelegenheit oder nicht repräsentativ für unseren Zustand, dass der FBI-Direktor, der es ablehnte, Frau Clinton wegen falscher Handhabung von Geheimmaterial zu verfolgen, gerade in die Regierung von einem Job bei Lockheed Martin zurückgekehrt ist, wo er für ein einziges Jahr sechs Millionen Dollar verdient hat. Ich weiß nicht, ob FBI-Direktor Comey korrupt ist. Aber der Fall hat ein Geschmäckle.

Darum war es so wichtig, dass Trump vom Gefängnis für seine Gegnerin gesprochen hat. Wären die Dinge nicht an einem Punkt angelangt, an dem frühere Amtsinhaber ins Gefängnis gehörten, stände Trump nicht auf dem ersten Platz. Die republikanischen Wähler haben einen rücksichtslosen, unabhängigen, wohlhabenden, vulgären, rauhbeinigen Außenseiter nominiert, eben weil sie glauben, dass das System korrupt ist. Sie haben Recht, das zu glauben; wenn die Wähler ein Zehntel von wüssten, was ich weiß, würden sie mit Mistgabeln auf Washington marschieren.

Die gesamte Wochenendberichterstattung konzentrierte sich auf Trumps dreckiges Mundwerk, das in der Endabrechnung für nichts zählen wird. Niemand, der Trumps Medienauftritten in den letzten 30 Jahren gefolgt ist, hat irgendetwas anderes von diesem Protz erwartet. Wir sind mit Trump geschlagen, eben weil das republikanische Establishment über den Irak und die Wirtschaft implodiert ist.

Ich vermute, dass Trumps Zurückhaltung während der ersten Debatte bezweckte, seine Widersacherin einzuschätzen. Niemand wird sich bei der Wahl erinnern, was in der ersten Debatte gesagt wurde, und Trump schien Clinton zu testen und ihre Antworten zu erwarten. Dieses Mal hat er sie verwundet. Ob da noch mehr kommt – eine skandalöse Enthüllung irgendwelcher Art – weiß ich nicht. Aber angesichts von Trumps Erfahrung im Showbusiness können wir annehmen, dass die wirklichen Gemeinheiten noch kommen werden.

Wer auch immer gewinnt, ein sehr großer Teil der Wählerschaft – vielleicht mehr als ein Drittel – glaubt, dass es der Regierung an Legitimität fehlt. Solche Bedingungen hatten wir seit dem Bürgerkrieg nicht mehr. Wenn Trump verliert, werden seine Wähler eine korrupte Oligarchie und ihre Medien verantwortlich machen, dass sie eine Kriminelle ins Weiße Haus gewählt haben werden; wenn Clinton verliert, wird ihre Wählerschaft reagieren, als ob der Klu Klux Klan Washington übernommen hätte. In den letzten anderthalb Jahrhunderten der amerikanischen Geschichte hat es so etwas nicht gegeben und es ist eine undankbare Aufgabe, den Ausgang vorherzusagen. Nichtsdestoweniger werde ich es tun: Trump wird sie zerschmettern. Clinton, die Medien, die Umfragen und der Mainstream der republikanischen Partei haben den rebellischen Geist der Wählerschaft gründlich missverstanden.

[1] Die Lockheed Martin Corporation ist ein amerikanischer Rüstungs- und Technologiekonzern, der vor allem in der militärischen und zivilen Luftfahrt und in der Raumfahrt aktiv ist. Fast 80 % des 2014 erreichten Umsatzes von 46 Milliarden US-Dollar wurden durch Käufe der amerikanischen Regierung erzielt. (aus Wiki).

Spengler auf Deutsch 55: Beklagenswerterweise wird Trump gewinnen

Das Original erschien am 11. September 2016 unter dem Titel “Deplorably, Trump is Going to Win” in Asia Times.

Die Präsidentschaftswahl war zu Ende in dem Moment, in dem Hillary Clinton das Wort “deplorable” (kläglich, beklagenswert)[1] aus dem Gehege ihrer Zähne entließ. Wie jetzt die ganze Welt erfahren hat, sagte Frau Clinton am 10. September einem lesbisch-schwulen-bisexuellen-transgender Spendensammler: “Wissen Sie, um einmal grob zu generalisieren, Sie können die Hälfte von Trumps Anhängern in das stecken, was ich den ‚Korb der Beklagenswerten‘ nenne. Nicht wahr? Diese Rassisten, Sexisten, Homophoben, Xenophoben, Islamophoben – sie haben es erwähnt. Und unglücklicherweise gibt es solche Leute, und er hat sie ans Licht gebracht“.

Hillary kann man vergessen.

Sicher, sie entschuldigte sich, aber niemand wird ihr glauben: sie war entspannt vor ihrem heimischen Publikum und fühlte die Wärme, und sie sagte genau das, was sie dachte. Die „Clinton Cash“-Korruptionsskandale, die immer neuen Lügen über ihren E-Mail-Server, Gesundheitsprobleme und all die anderen Probleme, die sich vor der ehemaligen First Lady auftürmen, sind Kleinigkeiten verglichen mit diesem apokalyptischen Moment der Selbstenthüllung.

Man kann keine amerikanische Präsidentschaftswahl gewinnen ohne die Stimmen der Beklagenswerten. Beklagenswerte sind Amerikas größte Minderheit. Sie könnten sogar die amerikanische Mehrheit sein. Sie mögen Rassisten, Homophobe und so weiter sein, aber sie wissen, sie sind beklagenswert. Beklagenswert und stolz. Sie sind die Durchschnittsfamilie, deren Realeinkommen beklagenswerterweise in den letzten 10 Jahren um 5 % gesunken ist; sie sind die 35 % der erwachsenen Männer, die beklagenswerterweise aus dem Arbeitsmarkt ausgestiegen sind, sie sind die 40% Schuldner von Studentendarlehen, die beklagenswerterweise ihre Kredite nicht zurückzahlen können; sie sind die alternden Beamten und Staatsangestellten, deren Pensionsfonds ein Defizit von vier Billionen Dollar aufweist. Sie führen ein beklagenswertes Leben und erwarten, dass das Leben ihrer Kinder noch beklagenswerter sein wird als ihr eigenes.

Amerikaner sind generell nicht nachtragend. Sie haben Bill vergeben, dass er mit Monica „Ich hatte keinen Sex mit dieser Frau“ Lewinsky im Oval Office herumgetollt ist und sich einer Anzahl unwilliger Frauen aufdrängte. Sie mögen selbst Hillary vergeben, dass sie Zehntausende kompromittierender E-Mails auf einem illegalen privaten Server verloren hat und dann wiederholt über dieses Thema in einer Weise gelogen hat, welche die beklagenswerte Intelligenz des Durchschnittswählers beleidigt. Aber es gibt eins, das du mit ihnen nicht tun kannst: sie anspucken und ihnen erzählen, es regnet. Das werden sie dir niemals verzeihen. Das schmerzt, und sie hassen Kandidaten, die sie daran erinnern.

Mitt Romneys Wahlkampagne 2012 war nicht mehr zu retten nach seiner berühmten „47 %-Bemerkung“, mit der er lediglich meinte, das 47 % der amerikanischen Arbeiter, deren Einkommen unter der Schwelle für bundesweite Steuern blieb, von seinen vorgeschlagenen Steuersenkungen nicht profitieren würden. Aber diese Arbeiter zahlen recht hohe Steuern, nämlich Sozialabgaben, Krankenversicherung und vielfach für lokale Behörden in Form von Mehrwertsteuer und kommunalen Steuern. Nachdem ein verstecktes Video mit dieser Bemerkung bei einem privaten Spendensammler die Runde machte, verbrachte Romney den Rest seiner Kampagne mit dem Äquivalent einer Anzeigentafel über seinem Kopf, versehen mit den Worten: „Ich repräsentiere die wirtschaftliche Elite“. Clinton hat dasselbe gemacht und repräsentiert die kulturelle Elite.

Sicher, es gibt Rassisten und Schwulenhasser in Trumps Lager. Jedermann muss irgendwo sein. Jedenfalls ist Trump kein Puritaner und schert sich nicht darum, welche Art von Sex die Leute haben oder wer welches Badezimmer benutzt oder wer wen heiratet. Vor zwei Jahrzehnten hat er einen neuen Country Club in Palm Beach gebaut, weil der alte Schwarze und Juden ausschloss. Er ist kein Rassist. Er ist ein widerwärtiger, vulgärer Geschäftsmann, der Politik wie eine Reality-Show inszeniert. Ich habe klargestellt, dass ich für ihn stimmen werde, nicht weil er meine erste Wahl unter den republikanischen Kandidaten wäre (das war Senator Ted Cruz), sondern weil ich glaube, dass die Herrschaft des Gesetzes eine Voraussetzung für eine freie Gesellschaft ist. Wenn die Clintons einen Freifahrschein für Einflussnahme auf einer mehrere hundert Millionen Dollar Scala bekommen und noch dazu für die Verschleierung des illegalen Gebrauchs von privaten Kommunikationsmitteln für Regierungsdokumente, ist die Herrschaft des Gesetzes nur noch ein Witz in den Vereinigten Staaten. Selbst wenn Trump ein schlechterer Präsident als Clinton wäre – was er wahrscheinlich nicht ist -, würde ich schon allein aus diesem Grund für ihn stimmen.

Nicht deswegen hat Trump die republikanischen Vorwahlen gewonnen. Er hat gewonnen, weil die Amerikaner es leid sind, eine wirtschaftliche Elite zu haben, die sie ignoriert. Die Amerikaner wissen, dass mit gezinkten Karten gespielt wird. Über Generationen konnten Amerikaner an die Spitze aufsteigen, indem sie ein Unternehmen gründeten. Es gab Zeiten, in denen mehr von ihnen Erfolg hatten als in anderen, aber jeder kannte irgendjemand, der auf mehr oder weniger ehrenwerte Weise reich wurde. Das kam unter der Obama-Regierung zu einem abrupten Ende. 2013 gab es weniger kleine Unternehmen mit weniger Arbeitskräften als 2007.

Niedergang kleiner Unternehmen zwischen 2007 und 2013, dargestellt nach Anzahl und beschäftigten Arbeitskräften (Census Bureau)

Größe des Unternehmens Anzahl der Firmen Anzahl der Unternehmen Beschäftigung
02:  0-4 -129,985 -130,063 -212,803
03:  5-9 -67,969 -69,904 -451,075
04:  10-19 -44,291 -48,177 -598,105
05:  <20 -242,245 -248,144 -1,261,983
06:  20-99 -29,358 -38,422 -1,225,253
07:  100-499 -3,322 4,737 -556,311
08:  <500 -274,925 -281,829 -3,043,547
09:  500+ 325 65,164 705,535

Die Beklagenswerten sehen die amerikanische Wirtschaft als eine Lotterie. Sie sind ungebildet, aber gerissen: Sie wissen, die Karten sind gezinkt, weil keiner von ihnen gewinnt. Die amerikanische Wirtschaft ist korrupter und stärker kartellisiert als jemals zuvor. Das Produktivitätswachstum war negativ in den letzten beiden Quartalen und das Produktivitätswachstum der letzten fünf Jahre ist am niedrigsten seit der Stagflation in den 1970ern.

Großunternehmen verdienen ihr Geld eher durch Manipulation des Regulationssystems als durch Einführung neuer Technologien. Wie eine Studie vom Juni 2016 des Wirtschaftswissenschaftlers Jim Bessen von der Universität von Boston gezeigt hat, geht fast die Hälfte des Anstiegs der Profite von Großunternehmen im letzten Jahrzehnt auf Vetterleswirtschaft (Rent-Seeking[2]) zurück. Bessen zufolge trugen “Investitionen in konventionelle Vermögenswerte und in Forschung und Entwicklung … zu einem wesentlichen Teil zu dem Anstieg an Werten und Profiten vor allem während der 1990er bei. Seit 2000 jedoch beruht der Anstieg zu einem überraschend großen Teil auf politischer Aktivität und Regulationen.”

Darum hat Trump die Vorwahlen gewonnen. Ted Cruz, ein evangelikaler Christ, warb um die religiösen Wähler (die Hillary für „homophob“ hält), aber die Evangelikalen stimmten größtenteils für Trump. Sie wollen einen Außenseiter mit einem großen Besen, der hereinkommt und das Establishment hinauskehrt, weil das Establishment ihnen in den letzten acht Jahren bedauerlich wenig Krümel vom Tisch abgegeben hat. Wie „Publius“ am 5. September in der Claremont Review schrieb: “Eine Hillary Clinton-Präsidentschaft ist wie Russisches Roulette mit einem halbautomatischen Revolver. Mit Trump kannst du wenigstens die Trommel drehen und deine Chance suchen”.

Es gibt eine Anzahl Maßnahmen, von denen ich gern hätte, dass Trump sie als Präsident ergreift. Aber ich habe keine Ahnung, was er als Präsident tun wird. Beklagenswerterweise werden wir es herausfinden.

[1] „Deplorable“ ist schwer zu übersetzen. Das deutsche „beklagenswert“ entspricht ihm nur teilweise, da „deplorable“ einen negativ-abwertenden Beiklang hat, der dem deutschen „beklagenswert“ fehlt. Die meisten Wörterbücher geben denn auch „schändlich“ als zweite Bedeutung an.

[2] Rent-Seeking aus engl. rent, ‚Pacht‘, ‚Miete‘, + to seek, ‚erstreben‘, ‚begehren‘) bezeichnet nach der neoklassischen Theorie ein Verhalten ökonomischer Akteure, das darauf zielt, staatliche Eingriffe in die marktvermittelte Ressourcenallokation herbeizuführen, um sich hierdurch künstlich geschaffene Renteneinkommen aneignen zu können. Einfach ausgedrückt fasst man darunter Aktivitäten Einzelner oder von Interessengruppen zusammen, die im politischen Prozess Einfluss nehmen. Sofern Rent-Seeking nicht mit der Bestechung von Entscheidungsträgern verbunden ist (im Sinne von Korruption), bezeichnet man den Prozess auch als Lobbying. Ein Beispiel für erfolgreiches Rent-Seeking wäre, wenn ein Unternehmer durch Bestechung eines Beamten eine Lizenz für ein Spielkasino erhält, das er in einem sonst nur als Lagerhalle nutzbaren Gebäude einrichten kann. Die Opportunitätskosten liegen in den entgangenen Vermietungseinnahmen für die Lagerhalle. (aus Wikipedia).

Spengler auf Deutsch 37: Ted Cruz: Unsere letzte und unsere größte Hoffnung

Das Original erschien am 25. März 2016 unter dem Titel „Ted Cruz: Our Last, Best Hope“ in PJMedia.

Amerika braucht etwas Besseres als eine Feedbackschleife für populäre Ressentiments. Wir brauchen einen echten Präsidenten. Amerikas Elite ist arrogant und korrupt, aber der Zustand des amerikanischen Volkes ist fast ebenso alarmierend. 1790 wies Amerika eine Alphabetisierungsrate bei Erwachsenen von 90 % auf, als nur die Hälfte der Engländer und ein Fünftel der Spanier und Irländer ihren Namen schreiben konnte. Wir hatten die am besten erzogenen, die am höchsten motivierten und gesündesten Arbeitskräfte der Welt, und das mit einem überwältigenden Vorsprung.

Heute bilden Amerikaner im Alter von 16 bis 24 das Schlusslicht einer Evaluation von 22 Ländern in Bezug auf Rechnen, Lesen und das Lösen von technischen Problemen.

Das schlechte Abschneiden der Studenten sollte keine Überraschung sein. Die amerikanische Familie zerfällt. Nahezu 30 % der nicht-hispanischen weißen Kinder sind unehelich geboren, ebenso wie 53 % der hispanischen und 73 % der afroamerikanischen. Als Reagan das Amt übernahm, waren 18 % aller amerikanischen Geburten unehelich. 2014 waren es über 40 %.

Eine Aufholjagd reicht nicht, um aus dieser Misere herauszukommen. Wir brauchen nichts Geringeres als eine große nationale Wende. Es gibt zwei republikanische Kandidaten, die von Anfang an klargemacht haben, dass sie mehr als Dienst nach Vorschrift im Sinn haben – Ted Cruz und Donald Trump. Ein anderer Romney würde nichts ändern.

Sicher, unsere Eliten haben uns verkauft. Es gibt unbeschränktes Kapital für Investoren, um zwangsversteigerte Häuser zu kaufen, während die Hälfte der Amerikaner die nötigen Raten nicht bezahlten kann bzw. keine Hypotheken bekommt. Das Pentagon und die Rüstungsunternehmen haben eine Billion Dollar für die F-35 zum Fenster hinausgeworfen, die lahmste Kiste in der Geschichte der Militärfliegerei, und so jedes andere Beschaffungsprogramm verdrängt. Unsere Technologieunternehmen sind zu einer Verschwörung von Innovationsverhinderern mutiert; sie werden von Patentanwälten, statt von Ingenieuren geleitet. Die Finanzindustrie hat den größten Beschiss in der Geschichte zu verantworten, die Subprime-Blase der 2000er, und die Obamaregierung hat nicht einen Verantwortlichen in den Knast geschickt (statt dessen verurteilte sie die Aktionäre der Banken zu Milliarden Dollar-Bußen, das heißt ihren Pensionsfond oder ihre Rentenversicherung). Die Clintons sind ein kriminelles Unternehmen, wie Peter Schweizer in seinem Buch Clinton Cash gezeigt hat. Das außenpolitische Establishment behandelt die Welt als ein gigantisches Sozialexperiment und verschwendet Blut und Geld, um die Welt reif für Demokratie zu machen.

Das Resultat ist die korrupteste und katellierteste Wirtschaft der amerikanischen Geschichte. Das erste Mal, seit Statistiken geführt werden, tragen neu gegründete Unternehmen seit 2009 nahezu nichts zur Erholung des Arbeitsmarktes bei, wie ich hier am 2. März berichtet habe. Aber Donald Trump ermutigt Wunschdenken. Die Behauptung “Wir werden Amerika wieder groß machen”, indem wir mexikanische Illegale ausweisen und Jobs aus China zurückholen, ist Unsinn.

Unsere Eliten sind verrottet, aber das Volk ist angeschlagen und verwirrt. Nach der Generation der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung hat Amerika bei der Bildung von Eliten versagt. Aber wir brauchen immer noch Staatsmänner, die uns erheben, uns belehren, uns inspirieren. Selbsterzogene Außenseiter wie Abraham Lincoln und Ronald Reagan waren unsere fähigsten Staatsmänner, nicht die Absolventen von Harvard oder Yale. Lincoln mag Autodidakt gewesen sein, aber er war der tiefste Denker seiner Generation. Auch Reagan war Autodidakt, aber er hatte einen umfassenden und detaillierten Zugang zur Außenpolitik und war einer der Ersten, die sich zu Robert Mundells angebotsorientierter Wirtschaftspolitik bekannten. Sie waren auch von Grund auf gute Männer.

Ted Cruz ist ein begabter Außenseiter mit einzigartigen Führungsqualitäten. Er beherrscht das Verfassungsrecht brillant aus seiner Zeit als Generalstaatsanwalt des Staates Texas, er hat intimes Verständnis für wirtschaftliche Fragen aus seiner Zeit in der „Federal Trade Commission“, und eine klare Vision, was Amerika in der Außenpolitik tun und lassen sollte. Er war ein akademischer Superstar an Eliteuniversitäten, aber ließ sich durch seinen Erfolg nie zu Selbstgefälligkeit verleiten. Er ist zutiefst religiös. Er hat auch den Willen zu führen. Es ist keine Überraschung, dass seine Senatskollegen ihn nicht mögen: Als Präsident würde Cruz ein korruptes und behagliches Spiel beenden. Er hat das Gehirn, das Problem zu verstehen, und den Mut, die Hindernisse zu seiner Lösung beiseitezuschieben.

Donald Trumps Popularität beruht auf seiner Gabe, Politik als Fernsehshow zu betreiben. Die Amerikaner haben Eliten immer misstraut, aber die heutige populäre Kultur treibt dies zu einem pathologischen Extrem. Wir finden es anstößig, etwas zu bewundern, das besser ist als wir selbst. Stattdessen identifizieren wir uns mit dem, das wie wir selbst ist. Darum hören wir Sänger, die wie ein Betrunkener in einer Karaoke-Show klingen, statt Frank Sinatra. Darum ist Realitätsfernsehn so populär bei uns. Jeder kann dort ein Star werden. Wir lieben es, uns selbst im Spiegel zu sehen. Diese Mischung aus Nazismus und Ressentiment ist giftig. Trumps Kitsch-und-Prunk-Lebensstil ist ein nationales Paradigma für Erfolg geworden. Wir sind nicht Trumps Wähler, wir sind eine virtuelle Burleske.

Wir hören immer wieder, dass Trump ein Geschäftsmann ist, der die “Dinge in den Griff kriegt”. Das ist völlig falsch: die erfolgreichsten Geschäftsmänner sind sehr gut in einer sehr beschränkten Anzahl von Dingen. Große Unternehmer sind – wie George Gilder geschrieben hat –  die Art von Leuten, welche die ganze Nacht an einer besseren Straßenreinigung tüfteln. Trump ist nicht einmal ein besonders erfolgreicher Unternehmer. Hätte er die 100 Millionen Dollar, die er 1978 geerbt hatte, in einen Index-fond investiert, wäre er heute zwei Mal so reich, wie er tatsächlich ist. Als ein Casino-Investor hält er keinen Vergleich mit Sheldon Adelson aus, der als armer Mann begann und jetzt zehn Mal so reich wie Trump ist. Tatsächlich hat Trump den schlechtmöglichsten Hintergrund für einen Präsidenten: als Kind reicher Eltern, das ein privates Unternehmen führt, ist er daran gewohnt zu sagen: “Spring”, und dass seine Lakaien sagen, “Wie lange soll ich in der Luft stehen bleiben“?

Trump liest nicht. Er prahlt mit seiner eigenen Unwissenheit. Der Journalist Michael d’Antonio interviewte Trump in seinem Haus in New York und sagte einer deutschen Zeitung:[1]

„Bei meinem ersten Besuch fiel mir sofort auf, dass es da keine Bücher gab“, sagt d’Antonio. „Ein riesiger Palast und kein einziges Buch“. Er fragte Trump, ob es ein Buch gebe, dass ihn besonders beeinflusst habe. „Ich würde liebend gern lesen“, antwortete Trump. „Ich habe viele Bestseller verfasst, wie sie wissen, und ‚The Art of the Deal‘ war eines der am besten verkauften Bücher aller Zeiten“. Bald sprach Trump von ‚The Apprentice‘ (der Auszubildende). Trump nannte es die ‘Nr 1 unter den Fernsehshows’, eine Reality-Show, in der er über 14 Staffeln sich selbst spielte und Kandidaten demütigte, die um das Privileg einer Anstellung in seinem Unternehmen wetteiferten. In dem Interview sprach Trump eine Ewigkeit darüber wie fabelhaft und erfolgreich er ist, aber nannte nicht ein einziges Buch, das er nicht selbst geschrieben hatte.

“Trump liest nicht”, sagte d’Antonio in dem Restaurant. „Seit seiner Universitätszeit hat er nichts Ernsthaftes oder Grundlegendes über die amerikanische Gesellschaft gelernt. Und um ehrlich zu sein, ich glaube, er hat nicht mal an der Universität gelesen“. Als man Trump fragte, wer seine außenpolitischen Berater seien, antwortete er: „Nun, ich sehe die Shows“. Er bezog sich auf politische Talkshows im Fernsehen. 

Es mag sein, dass Trumps Wähler ebenfalls nicht lesen, aber sie sollten einen Präsidenten haben wollen, der etwas von den Problemen versteht, die er zu lösen verspricht.

Trump liegt schrecklich falsch über wichtige Themen. Amerikas wirtschaftliche Probleme sind nicht durch mexikanische Immigranten oder chinesische Importe verursacht, wie ich im letzten Juli dargelegt habe. Ich gebe ihm recht im Hinblick darauf, dass er die „Islam-ist-eine-Religion-des-Friedens“-Idiotie zurückweist, wie sie von George W. Bush, Barack Obama und Hillary Clinton vertreten wird. Eine Mehrheit der Amerikaner (46 % geben 40 %) unterstützt sein vorgeschlagenes Verbot muslimischer Immigration. Aber das ist der falsche Weg, das Problem anzugehen, richtig wäre, die Muslimbruderschaft als terroristische Organisation einzustufen, wie Cruz vorschlägt, und dann ihre Anhänger einzusammeln. Ich stimme Trump ebenfalls zu, dass er zu Beginn dieser Woche auf der AIPAC-Konferenz[2] den unsinnigen Nuklearvertrag mit dem Iran verrissen hat. Aber Cruz hat das sehr viel besser gemacht.

Solange Hitler oder Goebbels nicht aus ihren Gräbern aufstehen und sich um die Präsidentschaft bewerben, werde ich nicht für Hillary Clinton stimmen; in einem Trump-Clinton Wahlkampf werde ich ohne eine Sekunde zu zögern für Trump stimmen. Man kann ausschließen, dass Trump ein guter Präsident sein wird; er weiß wenig und erledigt die Dinge, so wie es ihm gerade in den Sinn kommt. So mag er gelegentlich über eine gute Lösung stolpern. Aber es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass er über Amerikas fortschreitenden Niedergang präsidieren und uns mit selbstmitleidigen Reden trösten wird.

Wir sind in ernsthaften Schwierigkeiten. Wir brauchen einen Präsidenten, der uns aus dem wirtschaftlichen und moralischen Morast herausführen kann. Ich fürchte, dass Ted Cruz unsere letzte und unsere beste Hoffnung ist, bevor wir früheren Supermächten wie Britannien abwärts auf dem schlüpfrigen Abhang zu nationaler Mittelmäßigkeit folgen.

[1] Da mir die deutsche Version des Artikels nicht greifbar war, übersetze ich aus dem Englischen ins Deutsche zurück. Anmerkung des Übersetzers.

[2] AIPAC = American Israel Public Affairs Committee. Am 21. März 2016 hat Donald Trump dort in einer Rede seine Position zu Israel und dem Nahen Osten erläutert.

Spengler auf Deutsch 31: Trumps Triumph ist eine Folge von Abwärtsmobilität

Der Originalartikel erschien am 1. März 2016 unter dem Titel „Trump Triumphed Due to Downward Mobility“ in Asia Times.

Das Rennen ist noch offen, aber eine Entscheidung zeichnet sich ab: Die Siege von Donald Trump in Georgia, Alabama, Tennessee, Virginia, Arkansas und Massachusetts überwiegen den Sieg von Ted Cruz in seinem Heimatstaat Texas und im benachbarten Oklahoma. Das republikanische Establishment wird sich nicht um Cruz scharen, als den letzten Kandidaten, der fähig ist, Trump zu schlagen. Marco Rubios Trostpreis war der Minnesota-Caucus mit 37 % Stimmenanteil.

In den letzten sechs Monaten haben meine republikanischen Freunde und ich Donald Trumps Aufstieg mitangesehen und uns gefragt, ob die Wähler verrückt geworden sind. Aber die Wähler sind nicht verrückt. Wir in der republikanischen Elite waren verrückt. Wir dachten, wir könnten der amerikanischen Wirtschaft erlauben, auch weiterhin ein Spiel mit gezinkten Karten zu bleiben. Die Wähler denken anders. Darum ist Trump am Gewinnen. Das ist auch der Grund, warum Bernie Sanders, der unwahrscheinlichste Präsidentschaftskandidat seit Menschengedenken, in der Lage ist, Hillary Clinton ernsthafte Konkurrenz zu machen. Wenn man den Leuten keinen Kapitalismus gibt, pflegte der verstorbenen Jude Wanniski zu sagen, dann werden sie den Sozialismus nehmen.

Amerikaner sind gerissen. Man kann nicht auf sie spuken und ihnen erzählen, es regnet. Sie wissen, das Spiel ist zu ihren Ungunsten manipuliert. Sie wissen davon ebenso, wie sie wissen, wenn eine Lotterie manipuliert ist: Es gibt keine Gewinner. Sie wissen, dass es mit ihnen abwärts geht, weil es nicht aufwärts geht. Amerikaner sind bereit, gegen schlechte Chancen zu spielen – die spielen ständig im Lotto – aber jetzt denken sie, dass sie überhaupt keine Chance haben. Bis 2008 hatten normale Amerikaner eine Außenseiterchance, reich zu werden. Jetzt haben sie keine Chance mehr.

Aufwärtsmobilität ist der Pegel für Amerikas Wohlbefinden. Es ist nicht der Niedergang des durchschnittlichen Familieneinkommens, der den Amerikanern unter die Haut geht, sondern die Wahrnehmung, dass die Eliten die Leiter hinter sich hochgezogen haben. Während des Vierteljahrhunderts nach der Amtseinführung von Ronald Reagan war es nur eine geringfügige Übertreibung, zu sagen, dass in jeder Familie jemand reich wurde. Man kaufte eine Lizenz für Kabelfernsehn, startete eine Website, kaufte einige Aktien von im Aufwind befindlichen High-Tech-Firmen, machte in Immobilien oder leitete ein kleines Geschäft, das ein großes wurde. Ungleichheit stört Amerikaner nicht, so lange sie die Chance auf ein Gewinnlos haben – nicht unbedingt eine faire Chance, aber doch zumindest eine Chance, die sich wenigstens gelegentlich für einfache Leute verwirklicht. So lange sie sehen konnten, dass Leute wie sie selbst reich wurden, spielten sie das Spiel weiter.

Arme Leute kaufen überteuerte Lotterielose und reiche Leute kaufen überteuerte Versicherungen aus demselben Grund: die Armen zahlen für die Aussicht reich zu werden, die reichen zahlen, um sicher zu stellen, dass sie nicht arm werden. Wie die angesehenen kanadischen Wirtschaftswissenschaftler Reuven and Gabriele Brenner dargelegt haben, ist soziale Mobilität der Schlüssel für wirtschaftliches Verhalten. Die Menschen zählen nicht die Pfennige in ihren Geldbeuteln, vielmehr suchen die Armen einen Weg in die Sicherheit der Mittelklasse und die Wohlhabenden versichern sich gegen den glitschigen Abhang, der zurück in die Armut führt.

Man kann in Amerika nicht mehr reich werden. Die Dot.com-Blase war eine Täuschung, sicher, aber so viele Leute haben damit das große Geld gemacht, dass selbst Mike Doonesbury[1] in der gleichnamigen Comixserie ein Dot.com-Millionär wurde. Immobilienspekulationen ohne Eigenkapital bereicherten Millionen von Haushalten unter der Bushregierung. Das waren Blasen, aber es waren demokratische Blasen. Die Märkte versorgten die Massen mit Kapital. Die Aktienmärkte kauften Unternehmen, geleitet von Zwanzigjährigen in löchrigen Jeans und Badelatschen, und der Hypothekenmarkt finanzierte Hausfrauen, als ob sie Großgrundbesitzer wären. Kapital, auch bekannt als das Geld anderer Leute, ist das, was Kapitalismus kapitalistisch macht. Niemand wird reich, indem er in einen Bausparvertrag einzahlt. Sicher, die spekulierenden Hausfrauen in Florida missbrauchten das Geld anderer Leute ebenso wie die Subprime-Verkäufer. Aber darauf kommt es nicht an. Es war ein Beschiss, von dem alle etwas hatten.

2008 aber schloss sich die Tür für die Aspirationen der Mittelklasse mit einem lauten Krach.

Während der Erholungsphase nach 2008 schlossen mehr Unternehmen als neu gegründet wurden, wie ich in einem Essay vom 29. Februar (2016) gezeigt habe

Unternehmensschließungen halten an, während Neugründungen zurückgehen:

Zudem wurde seit 2005 nur einer von sechs neuen Arbeitsplätzen von Unternehmen mit weniger als 50 Angestellten geschaffen. Dagegen schufen in den drei Jahrzehnten von dem Krach von 2008 Neugründungen 2,9 Millionen Arbeitsplätze pro Jahr, während etablierte Firmen 1,5 Millionen Arbeitsplätze pro Jahr verloren.

Arbeitsplatzschaffung und Unternehmensgröße:

Die Preise für Wertpapiere haben sich erholt, aber es gibt keine Möglichkeit für normale Leute, auf den Zug aufzuspringen. Private Kapitalgesellschaften haben Milliarden aufgebracht, um zwangsversteigerte Häuser aufzukaufen und zu weit höheren Gesamtkosten an Leute zu vermieten, die es gewohnt waren, ihr eigenes Haus zu besitzen. Seit der Krise ist die nationale Hauseigentumsrate ist von 69 % auf 64 % gefallen, und die Mieten steigen um 4 % pro Jahr, viel schneller als die Einkommen.

Hauseigentumsrate in den Vereinigten Staaten und Miete für den Erstwohnsitz:

Amerikaner tolerieren eine reiche Elite, wenn – und nur wenn – sie am Reichtum teilhaben können. Die kartellierten, korrumpierten, abgeschlossen Mechanismen, die in den letzten acht Jahren Reichtum kreierten, schließen sie aus. Die republikanische Basis will Blut sehen. Sie wollen Rache an Eliten, die sie von der Reichtumsgewinnung ausgeschlossen haben. Ohne Peggy Noonan zu nahe treten zu wollen: das hat nichts zu tun mit “abgesichert” gegen “ungesichert”. Es geht um Möchtegern gegen Habeschon. Es hat auch nichts damit zu tun, was Bret Stephens „eine neue politische Welle“ nennt, „die den Globus überschwemmt – Führer kommen an die Macht durch demokratische Mittel, während sie sich zu illiberalen Zielen bekennen“, einschließlich Viktor Orban in Ungarn und Recep Tayyip Erdogan in der Türkei. Amerikaner haben andere Forderungen als Türken und Ungarn.

Ich habe aus meiner Vorliebe für Ted Cruz kein Geheimnis gemacht, und hoffe immer noch, dass er die Niederlage in einen Sieg verwandeln kann. Er hat eine intelligente und disziplinierte Wahlkampfstrategie verfolgt, die nicht erfolgreich war. Cruz rechnete auf die evangelikalen Protestanten, er hoffte, sie würden ihm in South Carolina Auftrieb geben. Aber die meisten Evangelikalen stimmten stattdessen für Trump. Die Evangelikalen haben immer eine gespaltene Persönlichkeit gehabt, eine Leidenschaft für Sozialkonservatismus einerseits, ein Anpreisen des Wohlstandsevangeliums andererseits. Offensichtlich votieren die Evangelikalen nicht für konservative Prinzipien, wie Cruz es ihnen nahelegte.

Trump übertrumpfte Cruz in den Punkten Immigration und Sicherheit, bot markige Sprüche – baut eine Mauer an der mexikanischen Grenze und hindert Muslime an der Einreise -, die Cruz‘ nuancierte Positionen ertränkten. Cruz stand auf gegen das republikanische Establishment, Trump bot ihnen eine Nonstop-Beschimpfungskomödie.

Abwärtsmobilität ist das entscheidende Thema in den bevorstehenden Wahlen. Solange Trumps Rivalen die Phantasie der Wählerschaft nicht mit einer Vision von erneuter Auswärtsmobilität fesseln können, wird Trump die Nominierung gewinnen. Eine Präsidentschaftswahl zwischen Clinton und Trump wäre die schmutzigste, hässlichste, schmierigste und entscheidendste seit dem Bürgerkrieg. In diesem Fall helfe Gott den Vereinigten Staaten von Amerika.

[1] Entspricht etwa dem deutschen Otto Normalverbraucher oder Heinrich Mustermann.

Spengler auf Deutsch 30: Eine Nachricht für Verschwörungstheoretiker – die Neokonservativen sind keine Zionisten

Das Original erschien am 29. Februar 2016 unter dem Titel “Note to conspiracy theorists — the neo-conservatives aren’t Zionists” in Asia Times.

In amerikanischen Wettbüros zeigen die Quoten für die Vorwahlen eine Wahrscheinlichkeit von 87 %, dass Hillary Clinton die demokratische Kandidatin sein wird, und eine Wahrscheinlichkeit von 76 %, dass Donald Trump die Republikaner führen wird. Von den beiden ist Donald Trump der proisraelische Kandidat. Erstens ist seine Tochter Ivanka nach ihrer Konversion und Ehe mit Jared Kushner, Spross einer prominenten Familie jüdischer Philanthropen, eine bekennende orthodoxe Jüdin. Zweitens – und das ist entscheidend – fühlt Trump keine Verpflichtung, das Wohlwollen der Muslime zu gewinnen, nachdem er ein temporäres Einreiseverbot für Muslime vorgeschlagen hat, die in die Vereinigten Staaten reisen wollen. Dagegen umgibt sich Hillary Clinton mit Beratern, die Israel offen feindselig gegenüberstehen, und erwägt die verdeckte Finanzierung palästinensischen zivilen Ungehorsams, um die israelische Regierung unter Druck zu setzen.

Selten haben Amerikaner eine so klare Wahl zwischen pro- und nicht so proisraelischen Kandidaten gehabt. Bemerkenswerterweise bevorzugen die Neokonservativen Hillary Clinton. Das sollte Verwirrung unter Verschwörungstheoretikern stiften. Eine Suche mit Google ergibt 400.000 Treffer für die Suchbegriffe „neokonservativ“ und „Zionist“. Jedoch, die führenden Neokonservativen sagen, sie würden unter keinen Umständen für Trump stimmen, und ein prominenter Neokonservativer, Robert Kagan, hat sich bereits für Hillary und gegen Trump entschieden. Bill Kristol, der Herausgeber des „Weekly Standard“ und Vorsitzender des „Emergency Committee for Israel“[1], hat erklärt, dass er nie unter keinen Umständen für Trump stimmen würde, und ebenso der langjährige republikanische Amtsträger Peter Wehner. Kristol hat gesagt, er würde Hillary nicht unterstützen, aber angedroht, sich an der Gründung einer dritten Partei zu beteiligen, wenn Trump nominiert werden sollte – was republikanische Stimmen von Trump abziehen und Clinton helfen würde.

Bemerkenswerterweise hat Kristols „Emergency Committee for Israel“ einen Fernsehspot geschaltet, der Trump beschuldigt, „sich bei antiamerikanischen Diktatoren einzuschleimen“ – ein ungewöhnlicher Gebrauch für Gelder durch eine Organisation, die zu dem Zweck gegründet wurde, Israel und nicht bestimmte Kandidaten zu unterstützen, und besonders ungewöhnlich, wenn sie gegen einen pro-israelischen Kandidaten gerichtet sind. Trump hat bekanntlich gesagt, dass Amerika mit Wladimir Putin gegen Terroristen zusammenarbeiten könne, und argumentiert, dass der Sturz von Saddam Hussein und Muammar Gaddafi den Terroristen genützt habe. Man kann nicht behaupten, dass Trump mit einem breiten Pinsel malt, eher klatscht er einen Eimer Farbe gegen die Wand. Aber das die Neokonservativen definierende Dogma besteht darin, Diktatoren zu unterminieren und Demokratie zu unterstützen. Trumps Sicht entspricht eher der in Israel vorherrschenden. Israel ist pragmatisch; es zieht generell die arabischen Diktatoren dem Chaos vor, das sie ersetzt hat. Israels Beziehungen mit Russland sind komplex, aber generell gut, insbesondere in operationellen Fragen in Syrien.

Trump hat größtenteils völlig recht. Das libysche Abenteuer, das die Neokonservativen ebenso wie die Obamaregierung lautstark unterstützten, verwandelte Libyen in ein Ausbildungslager für Terroristen. Indem die Bushregierung die schiitische Mehrheit im Irak an die Macht brachte, verwandelte sie den Irak in eine iranische Satrapie. Saddam Hussein zu stürzen war nicht das Problem, aber die Marginalisierung der irakischen Sunniten bereitete den Boden für ISIS. Russland hat erheblich mehr von islamistischen Terroristen zu fürchten als die Vereinigten Staaten, und theoretisch könnte es mit Washington kooperieren, selbst wenn es amerikanischen Interessen in anderen Sphären opponiert.

Auf dem Höhepunkt ihres Einflusses im Jahre 2004 halfen Bill Kristol und der Kolumnist der Washington Post, Charles Krauthammer, bei der Abfassung von George W. Bushs zweiter Antrittsrede, mit ihrer Vision von globaler Demokratie unter amerikanischer Führung. Seither ist alles schiefgegangen. Der Erfolg von Donald Trump und auch von Senator Ted Cruz reflektiert teilweise den Abscheu der republikanischen Partei mit den von neokonservativer Ideologie motivierten Abenteuern. Die republikanische Partei hat die Neokonservativen zurückgewiesen, deren Kandidat, Marco Rubio, gemäß der „Iowa Futures Market[2] eine 15 % Chance hat, die Nominierung zu erlangen, während Trump auf 76 % kommt. Dagegen haben die Neokonservativen die Republikanische Partei zurückgewiesen.

Asiatische Beobachter versuchen, rationale Gründe für die amerikanische Politik zu finden. Aber wenn die Karten auf dem Tisch liegen, hat die neokonservative Bewegung nichts mit amerikanischer Macht oder nahöstlichem Öl oder Israel zu tun. Es handelt sich um einen Kult, um den Glauben, das demokratische Institutionen als solche die Lösung für die Weltprobleme sind, und das wird weitergehen, gleichgültig wie offensichtlich das Gegenteil ist. Dieser Kult ist gutorganisiert, mit einem Netzwerk akademischer Gurus und einschlägiger Literatur, einschließlich der Werke des verstorbenen Professors Leo Strauss (aber keineswegs begrenzt auf ihn). Wie alle Sekten hält sie zusammen, um ihre Illusionen gegen ihre Feinde zu verteidigen, selbst wenn diese Feinde Freunde Israels sind. Man kann es den neokonservativen Kult des Rationalismus nennen. Seine Anhänger sind besessen von einem irrationalen Glauben an den Rationalismus, und sie werden offensichtlich irrationale Dinge tun, um ihre Besessenheit gegen die grausamen Attacken der wirklichen Welt zu verteidigen. Sie sind auch gewillt, ihr Israelis Interessen zu opfern.

Ich habe kein Geheimnis aus meiner Abneigung gegen Donald Trump gemacht. Seine Demagogie über Einwanderung lehne ich ab. Aber meine Abneigung gegen den Mann hindert mich nicht daran zuzugeben, dass er in einigen Fragen recht hat, zum Beispiel über die Dummheiten der Neokonservativen.

Wenn Clinton gegen Trump antritt, werde ich, ohne eine Sekunde zu zögern, für Trump stimmen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Wie Peter Schweizer in seinem Buch Clinton Cash darlegt, sind die Clintons ein kriminelles Unternehmen; sie verkaufen Amerikas Gunst an Dritte Welt-Kleptokraten und ihre Kumpane als Gegenleistung für achtstellige Spenden an die Clintonstiftung, für fette Vortragshonorare und Ähnliches. Trump ist ein Geschäftsmann, der es versteht, seine Ellbogen zu gebrauchen und der weiß, wie das System politischer Gefälligkeiten funktioniert, aber er ist kein Krimineller. Zweitens: Trump ist mehr proisraelisch, und das ist ein Kernpunkt für mich. Israel ist nicht nur Amerikas wichtigster Alliierter in einem vertrackten Teil der Welt, sondern auch der Eckstein, auf dem das Gebäude der amerikanischen Republik in erster Linie errichtet worden ist. In einem Essay für eine jüdische Zeitschrift vom Juli 2015, habe ich die Frage gestellt „Wird Israel Amerika retten?“ Das Geschick der Amerikaner – des „beinahe auserwählten Volkes“ in Lincolns Worten – ist an das Geschick Israels gebunden.

Asiatische Beobachter sollten zu verstehen versuchen, dass wir Amerikaner verrückt sein können. Wir sind eine Nation, die eher auf Ideen als auf gemeinsame Sprache und Ethnie gegründet worden ist, und wenn wir der falschen Idee folgen, entgleisen wir. Der Niedergang der amerikanischen Macht unter den Regierungen von Bush und Obama ist nicht das Resultat großer historischer Kräfte oder gesellschaftlicher Trends. Er ist das Resultat ideologischer Dummheit großen Ausmaßes.

[1] Das „Emergency Committee for Israel“ ist eine von Neokonservativen dominierte Organisation, welche es sich zum Ziel gesetzt hat, die amerikanisch-israelischen Beziehungen zu fördern und zu verbessern.

[2] Es handelt sich um eine von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Iowa unterhaltene Website, auf der Wetten für die zukünftige Entwicklung von Wertpapieren, aber auch über zukünftige politische Entwicklungen abgegeben werden können. Sie ist dafür bekannt, dass sie Wahlergebnisse oft genauer als demoskopische Institute vorhersagt.