Spengler auf Deutsch 28: Öl und Börse umarmen sich – Eine neue Bedeutung des Wortes „Horizontalbohrung“

Das Original erschien am 25. Februar 2016 unter dem Titel „Oil’s stock-market embrace: A new meaning to the term horizontal driller” in Asia Times

Warum treibt Öl den Aktienmarkt?

Öl versus S&P 500[1] (Rot = Öl, Blau = S&P):

Seit Oktober erklärt Öl 82 % der Veränderungen in „S&P futures” (Daten in 5-Minuten Intervallen)

Warum sollten die Weltaktienmärkte an den Ölpreis gekoppelt sein? In den letzten Monaten hat Öl ohne jeden Zweifel den Aktienmarkt nach unten gezogen, hat der Verfall des Ölpreises die Aktien mitgenommen. Man sieht dies an der Preisgraphik, die in 5-Minuten-Intervallen die Preisentwicklung für Öl und S&P Futures darstellt. Die statistische Analyse bestätigt, was wir in der Graphik sehen. Aktien können nicht für’s Verlieren gewinnen. So lange Öl sich schlecht verkauft, wird der Aktienmarkt verwundbar bleiben. Der Zusammenhang ist auch bei den Marktrisiken offensichtlich: Die Kosten für Öloptionen (gemessen nach impliziter Volatilität) sind gestiegen, während Optionen für Aktien relativ stabil geblieben sind.

Oil volatility surges above equity volatility

Ölvolatilität steigt über Aktienvolatilität

Marktrisiken korrelieren stärker als je zuvor seit der Krise von 2008, die alles durcheinander brachte. Das ist die Schuld der Zentralbanken, die versuchen, Investoren zu Risiken zu animieren, indem sie die Zinsen auf nahezu Null senken, in einigen Fällen sogar unter Null. In dem Moment, in dem die Fed über „Normalisierung“ der amerikanischen Zinssätze sprach, fielen die Preise für Wertpapiere auf ihren eigenen „normalen Stand“.

Aber die Beziehung zwischen Öl und Aktien erfordert etwas mehr Analyse, da der Ölsektor als solcher kein bedeutender Faktor in generellen Erholungen der Aktienmärkte war. Während der letzten sechs Monate hatten Bankaktien den größten Einfluss auf generelle Markterholungen. Der S&P 500 verlor 54 Punkte in den letzten sechs Monaten, und die 10 schlechtesten Marktperformer waren für 37 dieser Punkte verantwortlich. Apple zählte -7 Punkte, gefolgt von den vier amerikanischen Spitzenbanken, die -17 Punkte beitrugen. Zwei Infrastruktur und zwei pharmazeutische Unternehmen gehörten ebenfalls zu den letzten Zehn.

 

Total Index Points -54
Apple -7
Citicorp -5
Bank of America -5
Wells Fargo -4
JP Morgan -3
Kinder Morgan -3
Gilead -3
Williams -3
Pfizer -2
Abbvie -2
Total for Worst 10 -37

Meinen Berechnungen zufolge gingen im Jahr 2014 40 % der gesamten S&P 500 Investitionsausgaben in den Energiesektor. Der Fracking-Boom war die große Sache, und Banken ebenso wie Risikokapitalfonds pumpten Geld in diesen Sektor. Aber bei einem Ölpreis von 30 Dollar verliert Fracking Geld, und die Banken berichten von milliardenschweren Verlusten. Risikoanleihen im Energiesektor stehen jetzt generell 15 Prozentpunkte höher als amerikanische Anleihen, das heißt für einen Dollar erhält man etwa 70 bis 80 Cents. Die Marktpreise für Risikoschuldverschreibungen im Energiesektor implizieren eine erwartete Ausfallrate von 20-25 %; abhängig davon, wie viel Kreditgeber glauben, von den geplatzten Fracking-Unternehmen zurückerhalten zu können. Das gibt dem Wort „Horizontalbohrung“ eine ganz neue Bedeutung.

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Nichts klappt für die Banken. Die Finanzindustrie ist derart in wenigen Giganten konzentriert, wie Blackrock und Pimco, dass Makler von Wertpapieren nicht mal ihren Lebensunterhalt verdienen können, indem sie für (oder gegen) ihre Kunden handeln. Die Zinsstrukturkurve ist so flach, dass sie kein Geld verdienen können, indem sie kurzzeitig ausleihen, und ein wenig länger verleihen. Und ihre Darlehenportfolios gehen in die Höhe.

Das reicht nicht für eine Bankenkrise – auch nicht auf lange Sicht – aber es heißt, dass die Kreditbedingungen in der vorhersehbaren Zukunft unangenehm eng bleiben werden. Das ist schlecht für jeden Sektor der Wirtschaft.

Die amerikanischen Daten bleiben schwach. Der “Purchasing Managers Index” (PMI)[2] von “Markit Services” stand bei 49.8 im Februar, er fiel damit zum ersten Mal seit Oktober 2013 unter den neutralen Stand von 50 %. Das überraschend hohe Niveau von 53.2 im Januar für nicht militärische Kapitalgüter außer Flugzeugen ist wahrscheinlich eine saisonale Anpassung. Jahr für Jahr bleiben die Aufträge für Kapitalgüter extrem niedrig.

Neue Aufträge die verarbeitende Industrie: Nichtmilitärische Kapitalgüter außer Flugzeugen.

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[1] Standards % Poor‘s 500, ein amerikanischer Aktienindex. der die Aktien von 500 der größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen enthält.

[2] Der „Purchasing Managers Index“ (PMI), auch „ISM Manufacturing Index“ oder „ISM-Einkaufsmanagerindex“, ist der wichtigste und verlässlichste Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität in den USA. Er beruht auf Befragungen, die in regelmäßigen Abständen unter den Managern amerikanischer Unternehmen durchgeführt werden.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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