Spengler auf Deutsch 68: Die FBI-Agenten, die für die Herrschaft des Gesetzes aufgestanden sind, machen mich stolz, Amerikaner zu sein

 

Das Original erschien am 31. Oktober 2016 unter dem Titel „The FBI Agents Who Stood Up for Rule of Law Make Me Proud to be an American” in PJMedia.

Man hört häufig, dass Amerika sich in eine Dritte-Welt-Kleptokratie verwandelt. Ich habe in einer ganzen Reihe von Dritte-Welt-Kleptokratien gearbeitet, damals in den Tagen als die Reagan-Revolution begann und wir Reagananhänger dachten, wir könnten Freie Märkte und Demokratie in die ganze Welt exportieren. Natürlich konnten wir das nicht. Aber ich hatte Gelegenheit, aus erster Hand zu sehen, was eine Bananenrepublik vom „Land der Freien und der Heimat der Tapferen“[1] unterscheidet. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass einige Personen die Entschlossenheit haben, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen ihren Job zu machen – sie schauen nicht nach rechts und links, akzeptieren keine gefüllten Briefumschläge oder ihr Äquivalent, einen fetten Posten nach Beendigung des Regierungsdienstes. Sie behandeln ihren Job wie ein geheiligtes Unterpfand, das ihnen vom Volk anvertraut wurde.

Irgendwo gibt es eine Handvoll von FBI-Agenten, die entschieden haben, ihre Jobs zu machen – d. h. ein Ende zu machen mit der Verschleierung von Clintons privatem Email-Server, mit dessen Hilfe Hillary ihr hohes Amt in einen Goldesel verwandelte. Ich weiß nicht, wer sie sind, oder auch nur, wie es passiert ist, aber einige Männer und Frauen sagten FBI-Direktor James Comey, wenn er nicht vorangehe, dann würden sie es tun – und sie hatten genug Beweismaterial, um Comey die Daumenschrauben anzulegen. Wir wissen das aus Devlin Barretts Reportage im “Wall Street Journal“. Barrett schreibt:

“Die neue Untersuchung, die FBI-Direktor James Comey am Freitag bekanntgab, offenbart eine Dienststelle, die zeitweise scharfe interne Auseinandersetzungen über den Fall Clinton führte, und wie man solche Fragen fair und angemessen mitten in einem nationalen Wahlkampf behandelt. Selbst als eine Probe aus Frau Clintons Email-Gebrauch im Juli durchsickerte, erhitzten sich innere Streitigkeiten innerhalb des Büros und im Justizministerium über Clintons familiäre Wohltätigkeit. So berichten Gewährsmänner, die mit dem Thema vertraut sind“.

Die unbesungenen Helden vom FBI setzen einiges aus Spiel. Sie wissen, dass sie ihre Karrieren riskieren, vielleicht gar ihre Pensionen. Gut möglich, dass sie ihre Kinder auf ein öffentliches College statt auf eine Privatuniversität schicken müssen, und dass sie eher eine Wohnung mieten als ein Haus kaufen können. Das ist der Einsatz, den mittlere Beamte riskieren, wenn sie gegen das System aufbegehren. Aber sie haben es getan, weil sie ihren Job machen mussten. Es war ihr Job, nicht der eines anderen, wenn sie ihn nicht machten, dann würde niemand ihn erledigen, und sie würden nicht hinnehmen, dass ihnen irgendjemand erzählt, sie hätten ihren Job, die Öffentlichkeit zu schützen, nicht gemacht.

“12 Uhr Mittags” kommt einem in den Sinn. Der Sheriff, dargestellt von Gary Cooper, steht einer Gangsterbande gegenüber aus keinem andern Grund als dass es sein Job ist, das zu tun. Es ist der letzte Tag seiner Amtszeit, die Leute drängen ihn, zu fliehen und nicht zu kämpfen. Es ist keine existentielle Geste a la Hemingway. Er hat Angst und ist verletzt. Er fühlt keine Zuneigung für die feigen Bürger. Aber er wird seinen Job nicht unausgeführt lassen.

Wenn Sie eine Republik wollen, dann müssen sie Ihre persönlichen Interessen für das Gemeinwohl aufopfern, wenn Sie dazu berufen werden. Wer die Wahl trifft, das Recht durchzusetzen oder Feuer zu bekämpfen oder im Militär zu dienen, weiß, dass es eines Tages zu seinem Job gehören mag, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Aber das gleiche gilt in geringerem Maße für jeden Bürger. In lateinamerikanischen Kleptokratien nimmt der Mann, dessen Job es ist, Ihnen das Gas abzustellen, wenn Sie Ihre Gasrechnung nicht bezahlen, statt dessen ein Bestechungsgeld, das er größtenteils an seine Vorgesetzten weiterreicht. Der Regierungsbeamte nimmt ein Bestechungsgeld, um Ihnen ein Formular zu geben, dass Sie ausfüllen müssen, wenn sie Holz von Michoacán nach Mexiko-City verschiffen wollen, ein Formular, das sie dann mit einem weiteren Bestechungsgeld im Büro nebenan präsentieren, und so weiter. Jedermann ist bestechlich. Das System korrumpiert jeden. Wenn Sie ehrlich bleiben wollen, emigrieren Sie.

Die Herrschaft des Gesetzes ruht auf dem moralischen Gegenstück der dünnen roten Linie[2]. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hängt das Schicksal eines Landes an einer Handvoll seiner Bürger, die mit den Angreifern fertig werden müssen: den Fronttruppen, den Marines auf Iwo Jima, den Piloten in der Luftschlacht um England. Diejenigen, deren Job es ist, das Recht aufrecht zu erhalten, müssen dies auch unter Inkaufnahme persönlicher Risiken tun. Was eine große Nation von einer Bananenrepublik unterscheidet, ist ihre Fähigkeit, genug solche Leute zu finden, die, wenn der Zeitpunkt kommt, ihren Job machen. In einer Bananenrepublik bekämpft – mit seltenen Ausnahmen – niemand das System, und wer es tut, wird fast immer umgebracht, wie Luis Donaldo Colosio in Mexiko im Jahre 1994.

Ich habe lange gewartet, dass ein Präsidentschaftsbewerber aufsteht und die Wahrheit über Korruption in Washington sagt. Donald Trumps New Hampshire Rede leistete dies am letzten Freitagnachmittag. Trump macht seinen Job. Sein Job besteht darin, mit einer großen Pumpe zu kommen und den Sumpf trockenzulegen, und er macht ihn – und er verdient die Unterstützung jeden Amerikaners. Aber er würde es nicht können ohne die tapferen Männer in mittleren Positionen des FBI, die ihre Pflicht taten. Ich kenne ihre Namen nicht. Aber sie machen mich stolz, Amerikaner zu sein.

[1] Spengler zitiert hier die amerikanische Nationalhymne (The Star-Spangled Banner).

[2] Anspielung auf Rudyard Kiplings Gedicht „Tommy“ aus den Barrack-Room-Ballads, in dem Kipling Infanteristen als „the thin red line of ‚eroes“ beschreibt. Kiplings Gedicht spielt an auf die Taten britischer Soldaten im Krimkrieg, insbesondere in der Schlacht bei Balaklava. Hier wehrte eine „dünne rote Linie“ (die britischen Soldaten trugen rote Uniformen) eine zahlenmäßig weit überlegene russische Kavallerieattacke ab. Seither sprichwörtlich für entschlossenen Widerstand gegen feindliche Übermacht.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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