Spengler auf Deutsch 70: Trumps Sieg war von vornherein absehbar

Das Original erschien am 8. November 2016 unter dem Titel “Trump’s Victory Was Obvious from the Outset” in PJMedia

 

Eine Wahlnacht in Amerika ist etwas Wunderbares. Was auch immer Sie über die Amerikaner sagen mögen, sie werden ernsthaft und bedacht, wenn sie ihre leitenden Politiker wählen. Sie begehen Irrtümer, aber sie haben die Möglichkeit, sie zu korrigieren. Kurz vor Mitternacht, nachdem die New York Times Trumps Gewinnwahrscheinlichkeit auf 95 % erhöht hatte, ging ich in eine irische Bar in der Nähe meines Hauses und unterhielt mich mit meinen Nachbarn. Viele hatten zögernd für Clinton gestimmt, einige – ebenfalls mit Vorbehalten – für Trump, aber alle hatten etwas Erregendes zu sagen, warum sie ihre Wahl getroffen hatten.

Lincoln hatte Recht: Man kann nicht alle Menschen immer hinters Licht führen. Hillary Clinton konnte die Amerikaner nicht überzeugen, das 2+2 = 5. Die Amerikaner wissen, dass ihr Leben schlechter geworden ist, ihre Kinder geringere Aussichten als sie haben, und das die Gelegenheiten zum Aufstieg verschwunden sind. Sie wollten jemanden, der ihre Besorgnisse ernst nimmt und große Dinge tut, um ihnen zu helfen. In den Vorwahlen verwarfen sie die Small-ball-Konservativen des republikanischen Mainstreams und wählten den Kandidaten, der nationale Größe versprach. Man hat Donald Trump vorgeworfen, er habe kein klares Programm. Das hat er auch nicht, aber das Volk ist nicht so kleinlich wie die Punditeska. Es weiß, dass die Voraussetzung für eine erfolgreiche Präsidentschaft die Erkenntnis ist, dass eher gigantische Schritte als kleine Schritte erforderlich sind. Es hat das Mandat dem Kandidaten gegeben, der ihm das versprochen hat, und es wird Donald Trump gewähren lassen, die Details auszuarbeiten.

Das ist der Grund, warum ich von Trumps Sieg seit langem überzeugt war. Ich habe am 12. September geschrieben: „Deplorably, Trump is Going to Win,“ und am 9. Oktober: „Trump Will Win the National Battle for Legitimacy.“ Die elitäre Verachtung für das Streben der meisten Amerikaner hat einen Gipfel der Arroganz erreicht, den die Amerikaner nicht zu ertragen gewillt sind. Donald Trump ist nicht der ideale Kandidat, seine Lebenserfahrung als Geschäftsführer eines Unternehmens im Familienbesitz hat ihm erlaubt, seinen Impulsen zu folgen, wohin auch immer sie ihn führten, und seine Genusssucht hat sich oft unvorteilhaft offenbart. Für die meisten Amerikaner hat ein Votum für Trump sorgfältige Überlegung erfordert, sie wogen die viel diskutierten Fehler des Mannes gegen das einfache Faktum, dass er verspricht, Risiken auf sich zu nehmen und neue Dinge zu versuchen, um Amerikas Größe wiederherzustellen. Ich glaube, er gleicht Franklin Roosevelt mehr als jedem anderen seiner Vorgänger. Franklin D. Roosevelt hat fast alles falsch gemacht, bis der Zweite Weltkrieg Amerika aus der Größen Depression holte, aber er hielt das soziale Gefüge zusammen, indem er den Amerikanern zeigte, dass er gewillt war, auch drastische Maßnahmen zu ergreifen, um eine unerträgliche Situation zu beenden.

Die #NeverTrumpers haben eine elitäre Verachtung für das amerikanische Volk gezeigt und die Interessen der republikanischen Partei ebenso wie die ihres Landes verraten. Großmut ist nicht die richtige Antwort auf diese Art von Betrug. Ein neuer republikanischer intellektueller Kern formt sich derzeit um die Claremont Review, das Journal of American Greatness und -mit Zustimmung unserer Sponsoren – um Publikationen wie PJMedia. Es ist an der Zeit, wagemutig und innovativ zu sein, zu erwägen, welche Politik den Niedergang des letzten Jahrzehnts umkehren wird und uns selbst von toten Gewicht verfehlter Ideologien zu entlasten. Harte Arbeit liegt vor uns. Packen wie sie an, ohne uns ablenken zu lassen.

 

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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