Spengler auf Deutsch 76: Trump bewirkt einen Abwärtstrend für die Schwellenländer

Das Original erschien am 21. November 2016 unter dem Titel “Trump effect a downside for emerging markets” in Asia Times.

Anmerkung des Übersetzers: Es handelt sich bei dem Text um das Ergebnis einer Diskussion Spenglers mit anderen Spezialisten um die wirtschaftlichen Folgen von Trumps Wahl. Wenn also von „der Gruppe“ oder „den Teilnehmern“ die Rede ist, sind die Teilnehmer an dieser Diskussion gemeint.

Die Aktienmärkte der Industrienationen zeigen nach Donald Trumps Wahlsieg höhere Wachstumserwartungen, aber die Schwellenländer geben Anlass zur Sorge.

Während die Aktienkurse und Rohstoffpreise wegen der größeren Wachstumserwartungen seit den amerikanischen Wahlen am 8. November gestiegen sind, werden die Schwellenländer kontinuierlich schwächer.

Die langfristige Inflationserwartung ist von ihrem Tief Mitte 2016 angestiegen; sie bleibt aber immer noch sehr niedrig im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt. Der Optimismus über die Entwicklung der Weltwirtschaft ist im Gefolge der amerikanischen Wahlen etwas gestiegen, bleibt aber vorsichtig und ungleich.

Der starke Anstieg in den dollargewichteten Indizes übt Druck auf die Ökonomien mit großen Auslandsschulden aus. Italien gibt Anlass zur Besorgnis. Während der europäischen Finanzkrise von 2011-2013, übertrafen die Renditen für italienische Staatsanleihen die für deutsche um mehr als 5 %.

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Die italienischen Staatsschulden betragen rund 130 % des Bruttoinlandsprodukts, das ist das Äquivalent von zusätzlichen 6,5 % für den Schuldendienst. Seit 2014 hat sich der Abstand zwischen den Zinsen für italienische und deutsche Staatsschulden im Maßstab von 1-2 % bewegt, aber er ist jetzt schon an der weiteren Grenze dieses Spektrums. Wenn die Zinsen steigen, wird Italien ein schweres finanzielles Problem bekommen.

Italien muss zudem mit dem Liquiditätsproblem seines Bankensystems fertig werden (wo nicht bediente Kredite etwa ein Fünftel der Gesamtkredite ausmachen). Obwohl die Regeln der Europäischen Kommission das untersagen, wird Italien wahrscheinlich intervenieren, um seine Banken zu retten, da Kleinanleger etwa 237 Milliarden Euro in Bankaktien investiert haben, und eine Rettungsaktion für Kleinanleger politischen Aufruhr verursachen würde.

Die italienischen Bankaktien fielen letzte Woche drastisch, da Versuche, italienische faule Kredite (non-performing loans NPLs) in Form von Finanzprodukten zu verkaufen, auf Schwierigkeiten stießen. Das Problem ist, dass die italienischen Banken die Regierung finanziell gerettet haben (sie besitzen 22 % der gesamten Staatsschuld), und wenn die Regierung die Banken retten soll, wer wird dann die Regierung retten?

Premierminister Matteo Renzi hat seine politische Karriere von einem Sieg in dem Referendum am 4. Dezember über die Verfassungsreform abhängig gemacht, die er nun wahrscheinlich verlieren wird. Das wird zu einem politischen Vakuum führen, in dem die Bankrisiken höher eingepreist werden.

Kenner glauben nicht, dass die Ausweitung des Zinsabstands von italienischen und deutschen Anleihen auf politische Veränderungen in Italien zurückzuführen ist, sondern eher auf Entwicklungen im globalen Umfeld.

Noch bedrohlicher für Italien als das Referendum vom 4. Dezember mag die Sitzung der Europäischen Zentralbank am 8. Dezember sein, die eine sechsmonatige Pause des Quantitative Easing beschließen und so die Nachfrage nach italienischen Staatsanleihen reduzieren könnte.

Die italienische Regierung ist auch besorgt über die Möglichkeit, dass die Europäische Kommission eine fiskalische Anpassung fordern könnte, um das italienische Haushaltsdefizit zu verringern, das die Richtlinien der Kommission bei weitem übertrifft. Sie ist auch besorgt über die Migrantenkrise, die sich von den Grenzen der europäischen Länder auf die Mittelmeerroute verlagert hat.

Wenn Renzi das Referendum verliert, wird er versuchen, als Premierminister zurückzutreten, während seine Gegner versuchen werden, ihn zum Bleiben zu nötigen und die Kritik für die unerfreulichen Konsequenzen auf sich zu nehmen. Das schafft kein Vertrauen in die italienische Regierung.

Die Gruppe ist ebenfalls besorgt über die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich im Mai 2017. Die Front National wird wahrscheinlich besser abschneiden als entweder das Rechte Zentrum, das keinen wirklich populären Kandidaten hat, oder die Sozialisten, berücksichtigt man das Präsident Francois Hollandes Zustimmungsrate auf 4 % gefallen ist.

Letztlich werden die Linke und das Rechte Zentrum sich vereinen, um die Kandidatin der Nationalen Front, Marine Le Pen, als Präsidentin zu verhindern, aber die doch vorhandene Möglichkeit einer populistischen Regierung in Frankreich wird das Land für einige Monate in Aufruhr versetzen.

In Anbetracht der Labilität der politischen Situation erwarten einige Teilnehmer, die europäische Zentralbank werde die Einführung neuer Kapital- und Liquiditätsregeln für europäische Banken aufschieben. Vom nächsten Jahr an werden von den europäischen Banken mehr flüssige Vermögenswerte gefordert, und 2018 werden neue Kapitalregeln der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wirksam werden. Nur wenige europäische Banken sind auf dieses strengere Regime vorbereitet und der Weg des geringsten Widerstands wäre, einfach darauf zu verzichten.

Auch die Schwellenländer geben Grund zur Sorge. Wie einige Teilnehmer betonten, reduziert die Verdoppelung der Schulden der Schwellenländer in ausländischer Valuta und der Anstieg der Renditen für Staatsanleihen in den Industrienationen die Attraktivität von Staatsanleihen der Schwellenländer und macht den Schuldendienst in Zukunft schwieriger. In Anbetracht der Stagnation bzw. des Rückgangs des Welthandels ist das besonders besorgniserregend.

Die Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf dem APEC Gipfel in Lima war in dieser Hinsicht bemerkenswert, insofern er sich für eine neue transpazifische Freihandelszone aussprach. In der Vergangenheit hat die Welt Chinas Protektionismus kritisiert, heute kommen die Einschränkungen des freien Austauschs von Gütern und Ideen von anderswo, insbesondere vom einstigen Vorkämpfer des Freihandels, den USA.

Xi fügte hinzu, China verpflichte sich, in den nächsten fünf Jahren amerikanische Importe in Höhe von 8 Billionen Dollar aufzunehmen und werde 750 Milliarden Dollar für überseeische Direktinvestitionen bereitstellen (Letztere Zahl ist konservativ, da Chinas ausländische Direktinvestitionen 2016 mehr als 170 Milliarden Dollar übersteigen dürften). Wir erwarten, dass die lateinamerikanischen Länder bestrebt sein werden, ihre wirtschaftlichen Beziehungen mit China neu auszurichten, eine Tendenz, die sich seit langem vorbereitet.

Drei Situationen sind besonders besorgniserregend:

Unter den Schwellenländern hat Mexiko gerade die drastischste Abwertung durchgemacht, und die Ratingagenturen werden Mexikos Schuldenbewertung wahrscheinlich herabstufen. Es besteht das Risiko eines Teufelskreises aus Währungsabwertung, steigenden Zinssätzen und höheren Kosten für den Schuldendienst. Der Niedergang des mexikanischen Pesos ist besonders alarmierend. Mexiko musste seine Zinssätze erhöhen (über Nacht auf eine Quote von 5,25 % letzte Woche) um den Niedergang des Pesos zu verlangsamen. Ausländische Direktinvestitionen in Mexiko und Geldüberweisungen der Arbeiter sind gefährdet.

Die indische Banknotenreform hat nicht nichtintendierte Konsequenzen gehabt. Die indische Regierung hat offensichtlich die Größe der Schattenwirtschaft unterschätzt. Statt der von der Regierung geschätzten 25 % trägt die Parallelwirtschaft wahrscheinlich eher mit 35 % zu Indiens wirtschaftlicher Aktivität bei. Die Entwertung der 500- und 1000 Rupienscheine hat bereits einen Crash im Markt für Wohnungseigentum verursacht; es werden jetzt Luxusimmobilien zu einem Preis angeboten, der 40 % unter dem Stand vor der Reform liegt.

Der Steuergewinn für die Regierung wird wahrscheinlich zwischen 70 bis 75 Milliarden Dollar betragen. Aber dieser Steuerschock für die Wirtschaft wird kurzfristig das Wachstum unterdrücken und wird unvorhersehbare Konsequenzen haben, da so viele wirtschaftlich Agierende praktisch enteignet wurden.

Südkoreas politische Krise ist eine weitere Sorge. Millionen von Demonstranten sind in Seoul auf die Straße gegangen, seit der Korruptionsskandal um Präsident Park „Geun-hye“ aufbrach. Koreanische Staatsanwälte behaupten nun, dass Park von der Korruption gewusst habe. Wenn die koreanischen Jaebeols[1] in den Skandal hineingezogen werden, besteht die Möglichkeit einer ernsthaften wirtschaftlichen Störung. Weniger als 10 Jaebeols kontrollieren etwa drei Viertel der Produktion des Landes.

Weiterhin leiden die Schwellenländer an höheren Kosten für den Schuldendienst al sein Resultat der steigenden Dollar- und Zinsraten.

Die Tafel unten zeigt die Abwertung der Währungen der Schwellenländer seit dem 8. November und seit Mitte 2014:

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[1] Jaebeol (deutsch: reiche Sippe) ist der koreanische Begriff für ein großes Familienunternehmen, das meist aus verschiedenen Sparten besteht, also ein Mischkonzern ist. (aus Wiki).

Spengler auf Deutsch 75: Warum lügt man über Steve Bannon?

Das Original erschien am 15. November 2016 unter dem Titel “Why the Big Lie About Steve Bannon?“ in PJMedia.

 

All die existentielle Wut der besiegten und gedemütigten Eliten fokussiert sich nun auf Steve Bannon – den Architekten von Trumps Sieg, den Medien-Genius, der die Schlacht mit weniger als einem Fünftel der finanziellen Ressourcen, die Hillary Clinton zur Verfügung standen, gewonnen hat.

Ich kenne Steve Bannon und habe mit ihm einige lange Diskussionen über Politik geführt. Steve ist entschieden proisraelisch, und es ist einfach lächerlich, zu behaupten, er wäre antisemitisch.

Auch andere bekennende Juden, die Bannon kennen – zum Beispiel Joel Pollak – bezeugen seine Unterstützung Israels und seine Freundschaft mit dem jüdischen Volk.

Von dem gegen Brannon gerichteten Schmutzwasser-Sturm lernen wir, dass das Establishment mit schmutzigen Tricks spielt, und die ehemals republikanischen #Never-Trumpers nicht nur fehlgeleitete Ideologen, sondern auch feige, schleimende, hinterhältige Lügner sind. Die Hölle hat kein Feuer heiß genug für eine selbsternannte verachtete Elite.

Sie hassen Steve Bannon, weil er sie auf dem Schlachtfeld der Sozialen Medien geschlagen hat, und zwar fair und anständig. Er ist der effektivste General des neugewählten Präsidenten. Trumps Feinde können die Resultate der Wahl nicht ungeschehen machen, aber sie können versuchen, den neuen Präsidenten von seiner volkstümlichen Basis abzuschneiden.

Die Anschuldigungen gegen Steve Bannon sind ein Gewebe von Lügen, ohne eine Spur von Wert.

Jeder kann – so wie ich es getan habe – im Archiv von „Breitbart Media“ nach Texten über Israel, Juden und ähnliche Themen suchen und feststellen, dass Steve Bannons sehr erfolgreiches Internetportal zu 100 % proisraelisch ist.

Und nicht nur das: Breitbart berichtet immer wieder über die Gefahr des Antisemitismus in der ganzen Welt.

Nicht ein einziger Artikel ist in den letzten zwei Jahren in Breitbart.com erschienen, der nicht auch in Israel Hayom, der führenden israelischen Tageszeitung hätte publiziert werden können.

Aber das hört man nicht von Ian Tuttle in der “National Review”, der beklagt, “im Mai wurde Bill Kristol, der Herausgeber des Weekly Standard als ‚jüdischer Renegat‘ bezeichnet“.

Das wurde er tatsächlich – aber von einem anderen Juden, David Horowitz. Horowitz hatte argumentiert, dass Kristol, indem er versuchte Trumps Kandidatur zu torpedieren, jüdische Interessen verraten habe – ein Punkt, den Horowitz hier betont.

Tuttle weiß das. Aber Tuttle zog es vor, Horowitz’ Überschrift in ihr Gegenteil zu verkehren.

Tuttles Kollege Jonah Goldberg schimpft jetzt auch über Bannon, aber sein Text ist zu dumm, um ihn zu zitieren.

Generöserweise gesteht Tuttle zu, dass Bannon nicht Goebbels ist.

Er ist es nicht. Aber das Trommelfeuer der Medien des Establishments (einschließlich des konservativen Establishments) gegen Bannon folgt Goebbels’ Doktrin der Großen Lüge: Wiederhole sie oft genug, und die Leute werden sie glauben, egal wie absurd sie ist.

Never-Trumper John Podhoretz schrieb gestern eine hinterhältige Attacke auf Steve Bannon auf der Commentary-Website. Man muß Podhoretz‘ Attacke mehrmals lesen, um zu verstehen, wie schäbig sie ist: Das moralische Kernproblem mit Steve Bannon bestehe darin, dass er – als Chef von Andrew Breitbarts Organisation – ein Förderer und Mitverbreiter von verrückten extremistischen Ideen – antisemitische eingeschlossen – sei. Er nutze die Website, um die Alt-Right[1] zu fördern, die Antisemitismus ebenso wie generellen Rassismus und weißen Nationalismus verbreite. Die Unterscheidung möge unbedeutend scheinen, aber sie sei es nicht; der Hass, den Breitbart kanalisiere, sei zu allgemein, dass man daraus einen speziellen antisemitischen Inhalt aussondern könne.

Beachten Sie die Konstruktion von Podhoretz‘ Argument: Breitbart ist nicht antisemitisch, aber in irgendeiner vagen und ungenannten Weise hat Breitbart Antisemitismus von der Alt-Right (was auch immer das ist) gefördert.

Der Mann ist eine Schande für die ehrwürdige jüdische Zeitschrift. Es ist Zeit für Commentary, einen neuen Herausgeber zu finden.

Folgendes sind die Fakten über Breitbarts Inhalt; sie sind unbestreitbar, erreichbar und leicht zu überprüfen. Jeder kann die Wörter „Juden“ oder „Israel“ und „site:www.breitbart.com“ in die Suchmaschine von Google eingeben, und er wird alles finden, was Breitbart über diese Themen publiziert hat.

Ich habe gerade rund 1000 Artikel durchgesehen und nicht gefunden als pro-israelischen, pro-jüdischen Inhalt, der ebenso gut in Israel Hayom hätte erscheinen können.

Da ist nicht der Hauch eines Beweises – nicht ein einziger Artikel – der Podhoretz‘ Anschuldigung unterstützt, dass Bannon und Breitbart antisemitische Ideen gefördert und unterstützt hätten.

An Stelle dieses Beweises ist der angeblich antisemitische Text von David Horowitz in den letzten 24 Stunden dutzende Male zitiert worden (auch in der Times of Israel!).

Natürlich, man erwartet, dass die Medien des Establishments mit zweihundert Dezibel lügen. Die normalerweise seriöse Financial Times begann gestern: Die gestrigen Emails explodierten von einem Artikel in der normalerweise seriösen Financal Times: „Donald Trump hat Reince Priebus, den Leiter des „Republican National Committee“, als seinen Stabschef, und Steve Bannon – den Leiter seiner Wahlkampagne, der auch Breitbart News leitet, eine Website, die mit der Alt-Right und weißen Suprematisten assoziiert wird – als seinen Chefstrategen und Berater ausgewählt“.

Zu behaupten, dass Breitbart mit weißen Suprematisten assoziiert ist, ist eine verachtenswerte Lüge, aber die Financal Times fühlt sich genötigt, solche Dinge zu sagen, weil die Politik rituelle Exkommunikationen Trumps benötigt.

Und die liberale jüdische Website „The Forward“ schreibt: „Wird Steve Bennon Antisemitismus in Trumps inneren Zirkel tragen?

„Die Reaktion von jüdischen und von Anti-Hass-Gruppen war schnell und aufgebracht. Die „Anti-Defamation League“, die sich aus der Parteipolitik heraushält und die gelobt hat, mit Trump nach seiner Wahl zusammenzuarbeiten, denunzierte Bannon als ‚Feind amerikanischer Werte‘“.

Es ist beschämend, das jüdische Organisationen bei einem solch wichtigen Thema den Teufel an die Wand malen, dass sie unerträgliche Anschuldigungen von Antisemitismus vorbringen, lediglich um ihre politische Agende zu verfolgen.

„Eine Welt kollabiert vor unseren Augen,“ twitterte der französische Botschafter in den Vereinigten Staaten, als die Resultate früh am Morgen des 9. November einliefen. Ja, die “liberale Weltordnung” der elitären Sozialreformen ist an ihr Ende gelangt. Der Weekly Standard und Commentary haben nichts mehr zu publizieren, ebensowenig wie die New York Times oder The New Republic.

Die Welt hat sich einfach von ihnen wegbewegt. Und ihre Demütigung wird symbolisiert von dem einen Mann, der mit unbedeutenden Ressourcen gegen ihre riesige Medienmaschine antrat und gewann. Sie werden alles versuchen, ihn zu vernichten.

 

[1] Abkürzung für „Alternative Right“, eine neue konservative Bewegung, welche dem traditionellen Konservatismus in den USA kritisch gegenübersteht.

Spengler auf Deutsch 74: Trump ist das Beste, was Israel seit Jahren passiert ist

Das Original erschien am 14. November 2016 unter dem Titel “Trump is the Best Thing That Has Happened to Israel in Years” in PJMedia.

 

Die Hysterie im Establishment ist erstaunlich: Die heutigen Emails explodieren von einem Artikel in der normalerweise seriösen Financal Times: „Donald Trump hat Reince Priebus, den Leiter des „Republican National Committee“, als seinen Stabschef, und Steve Bannon – den Leiter seiner Wahlkampagne, der auch Breitbart News leitet, eine Website, die mit der Alt-Right[1] und weißen Suprematisten assoziiert wird – als seinen Chefstrategen und Berater ausgewählt“. Zu behaupten, dass Breitbart mit weißen Suprematisten assoziiert ist, ist eine verachtenswerte Lüge, aber die Financal Times fühlt sich genötigt, solche Dinge zu sagen, weil die Politik rituelle Exkommunikationen Trumps benötigt. Und die liberale jüdische Website „The Forward“ schreibt: „Die Reaktion von jüdischen und von Anti-Hass-Gruppen war schnell und aufgebracht. Die „Anti-Defamation League“, die sich aus der Parteipolitik heraushält und die gelobt hat, mit Trump nach seiner Wahl zusammenzuarbeiten, denunzierte Bannon als ‚Feind amerikanischer Werte‘“. Die Schlagzeile des Forward fragt: „Wird Steve Bennon Antisemitismus in Trumps inneren Zirkel tragen?“

Das ist abermals eine üble Verleumdung. Ich kenne Steve Bannon und hatte mehrere lange Diskussionen mit ihm über Politik. Ich begegnete ihm erstmals, als er sich mir bei einem Vertrag näherte, um mir zu sagen, dass er meine Texte, die eindeutig zionistisch sind, sehr schätzt. Steve ist sehr proisraelisch eingestellt, und es ist einfach lächerlich, zu unterstellen, er wäre Antisemit.

Das Establishment ist niedergeschlagen und verwirrt. Es versteht nicht, was es falsch gemacht hat, es versteht nicht, warum es nicht mehr die Macht hat, und es kann seinen miserablen Zustand nur als Konsequenz einer teuflischen Verschwörung begreifen. Kurzum: das Establishment hat einen paranoiden Wutanfall, er vermischt seine Demütigung mit einem öffentlichen Zusammenbruch. Leider gilt dies auch für liberale Juden.

Trumps Wahl ist das Beste, was Israel seit vielen Jahren geschehen ist. Sie beseitigt das Risiko eines diplomatischen Dolchstoßes im Sicherheitsrat und sendet eine ernste Warnung an den Iran, die einzige wirklich existentielle Bedrohung des jüdischen Staates. Die Sicherheit des jüdischen Volkes in seinem Heimatland hat sich durch die Wahl vom 8. November erheblich vergrößert, und überall sollten Juden Gott danken, dass das Staatsoberhaupt des mächtigsten Landes der Welt ein Freund Israels mit jüdischen Enkelkindern ist. Statt zu Verleumdungen sollten Juden zum Erntedankfest zu Gebeten ansetzen.

 

[1] Abkürzung für „Alternative Right“ (Alternative Rechte), eine Bewegung, die dem traditionellen amerikanischen Konservatismus kritisch gegenübersteht.

Spengler auf Deutsch 73: Trump könnte die amerikanische Wirtschaft wieder auf Kurs bringen

Das Original erschien am 14. November 2016 unter dem Titel “Trump could put the US economy back on track” in PJMedia.

Der Anstieg der Aktienkurse für Industrieprodukte und Rohmaterialien und der Kollaps des Anleihenmarktes seit Donald Trumps Wahlsieg deuten auf eine ganz andere Art der Weltwirtschaft. Statt in einer Welt des Quantitative Easing mit extrem niedrigen Zinssätzen und 1 – 2 % Wachstum zu verbleiben, haben die Vereinigten Staaten das Potential auf einen normalen wirtschaftlichen Erholungskurs.

Wie stark kann die amerikanische Wirtschaft wachsen? Die amerikanische Wirtschaft ist um 10 % kleiner als sie es nach einer „normalen“ wirtschaftlichen Erholung seit 2008 gewesen wäre, und wenn sie nur die Hälfte des verlorenen Terrains wiedergewinnen kann, dann wären das zusätzliche 5 % zum Bruttoinlandsprodukt. Der globale Wettlauf um Aktien für Kapitalgüter zeigt Amerikas Bedarf zum Import von Kapitalgütern, um sich auszurüsten.

Peking erwartet keinen Handelskrieg mit den USA; Trump wird von den Chinesen als pragmatischer Geschäftsmann gesehen, vielleicht als harter Verhandlungsführer, aber als ein Mann, dessen Ziel es ist, ein Abkommen zu schließen und nicht ideologisch zu punkten.

Rendite dreißigjähriger amerikanischer Staatsanleihen verglichen mit Industriemetallen:

Der Dollar ist gestiegen und die Währungen der aufsteigenden Märkte sind drastisch gefallen. Das liegt daran, dass die aufstrebenden Märkte ihre Schulden in ausländischer Währung seit 2008 verdoppelt haben; sie nahmen den Vorteil eines schwachen Wachstumsumfelds wahr, um sich zu niedrigen Zinsen zu finanzieren. Jetzt, da in den USA bald höhere Renditen zu erzielen sein werden, gibt es keinen Grund mehr diese Art von Wertpapieren zu besitzen, die unter dem schwachen Wachstumsumfeld der letzten acht Jahre so populär waren. Die Währungen und die Schulden der aufstrebenden Märkte werden unter Druck bleiben. Bei einigen Ländern besteht das Risiko von Währungskrisen.

Italienische und in geringerem Maße französische Staatsanleihen fielen drastisch. Das reflektiert teilweise den generellen Trend, aus Wertpapieren auszusteigen, die ein bescheidenes Einkommen in dem vorigen Umfeld boten (einschließlich Anleihen der aufstrebenden Märkte, Immobilienfonds und so weiter). Aber es reflektiert auch die Befürchtung eines politischen Zusammenbruchs in Kontinentaleuropa.

Trumps Kampagnenleiter Stephen Bannon wurde am Sonntagmorgen in den Nachrichten zitiert, da er die Kandidatin der oppositionellen Front National Marine Le Pen gerühmt hatte. Da sich die Unterstützung der regierenden französischen Sozialisten im einstelligen Prozentbereich bewegt, kann ein Sieg der Front National nicht ausgeschlossen werden. Die Wahlen in Deutschland im September/Oktober 2017 sind ebenfalls Gegenstand erheblicher Unsicherheit. In Italien wird am 4. Dezember ein Verfassungsreferendum stattfinden, das die Regierung wahrscheinlich verlieren und so Italien bis zu den Wahlen 2017 eine handlungsunfähige Regierung bescheren wird.

Europa als wirtschaftliches und politisches Vorhaben wird immer fragwürdiger. Einige deutsche Unternehmensführer haben der Presse mitgeteilt, dass Trumps Sieg Deutschland in den Osten treiben wird – nach Eurasien, insbesondere Russland und China. England ist zum gleichen Schluss gekommen. Es ist bemerkenswert, dass das britische Pfund als einzige unter den großen Währungen nach der Wahl in Amerika gestiegen ist. Teilweise reflektiert das die Affinität von Englands Nach-Brexit-Regierung zur entstehenden Trump-Regierung, teilweise auch die Ansicht, dass das britische Pfund nun geringeren Risiken als der Euro ausgesetzt ist. Von einer Ausweitung der amerikanischen Verteidigungsausgaben würde die britische Rüstungsindustrie ebenfalls profitieren. Und in nachträglicher Weisheit distanziert sich das Vereinigte Königreich von dem Chaos, als welches die Europäische Union jetzt wahrgenommen wird.

Das Vereinigte Königreich handelt gerade neue wirtschaftliche und monetäre Abkommen mit China und Indien aus. Das Timing von Indiens dramatischer Währungsreform (der Einzug hoher Banknoten, welche die Untergrundwirtschaft ermöglichen) ist hier bemerkenswert; anscheinend will Indien sein Finanzsystem säubern, so dass es eine größere Rolle in einer verwandelten Weltwirtschaft suchen kann.

Spengler auf Deutsch 71: Um Trump zu verstehen, schauen Sie sich Franklin D. Roosevelt an

Das Original erschien am 9. November 2016 unter dem Titel “To understand Trump, look at Franklin D. Roosevelt“ in Asia Times.

Nach den üblichen Maßstäben war der amerikanische Präsident der Depressions-Ära, Franklin Delano Roosevelt, ein Versager. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, half nichts, was er tat, der verkrüppelten amerikanischen Wirtschaft. Seine Politik taumelte von einem fehlgeschlagenen Experiment zum nächsten: Preiskontrollen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Vernichtung von landwirtschaftlichen Produkten (um die Preise zu erhöhen) inmitten einer Hungersnot. Der geringfügige Anstieg der Bundesausgaben glich nicht einmal den Rückgang an einzelstaatlichen und lokalen Ausgaben aus.

Jedoch gewann Roosevelt die Präsidentschaft vier Mal – einzigartig in der amerikanischen Geschichte – und hielt das amerikanische soziale Gefüge in den dunklen Jahren der Depression zusammen – nicht weil er erfolgreich war, sondern weil er es versuchte.

Die Amerikaner haben Donald Trump gegen alle Erwartungen der Umfragen und Spezialisten gewählt, weil sie einen Präsidenten wollen, der etwas tun wird gegen die stille Verzweiflung, die sie in den letzten acht Jahren befallen hat. Donald Trumps Kampagne konzentrierte sich auf Steuersenkungen und harte Haltung in Handelsfragen, ein vages und teilweise unlogisches wirtschaftliches Programm. Aber das macht nichts. Trump hat verstanden, dass etwas Großes und Dramatisches getan werden muss. Mag sein, dass er nicht weiß was, aber die amerikanischen Wähler haben ihm ein Mandat gegeben, es zu versuchen, bis er Erfolg hat.

Als Roosevelt 1933 auf dem Tiefpunkt der Großen Depression das Amt übernahm, lag die amerikanische Arbeitslosenzahl auf einem Rekord von 25 %. Aber diese Rate von 25 % wurde berechnet vor der Erwartung, dass neun Zehntel der erwachsenen männlichen Bevölkerung für ihren Lebensunterhalt arbeiten würden. Die Erwerbsquote – wenn die Regierung sie berechnet hätte – hätte bei 65 % gestanden. Heute liegt die Erwerbsquote unter 63 %. Die Arbeitslosenquote steht bei 5 % statt eher bei 25 %, weil ein Sechstel der amerikanischen erwachsenen Männer dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, und weil eine Unzahl von Maßnahmen Arbeitslosigkeit kaschiert, von Studentenkrediten bis zu Berufsunfähigkeitsrenten.

Trump will eine Billion Dollar in die Infrastruktur investieren. Das bedeutet eine erhebliche Zunahme an öffentlicher Beschäftigung und die Neuausgabe einer großen Zahl von Bundesanleihen. Er hat völlig Recht. Schlimmer als der Verfall von Brücken und Tunneln ist der Verfall der Arbeitskraft. Kein Land kann es sich leisten, ein Sechstel seiner erwachsenen Bevölkerung müßig gehen zu lassen und zugleich auf eine Erholung hoffen. Das erste, was zu tun ist, ist die Leute an die Arbeit zu bringen – wie Roosevelt es mit seiner „Alphabet Soup“ durch die öffentlichen Arbeitsagenturen tat.

Ich habe meine eigenen Ideen, was Präsident Trump tun sollte, aber das ist diese Nacht unwichtig. Die Amerikaner haben die Stagnation und das soziale Herumbasteln der Obama-Jahre zurückgewiesen, so wie sie den Incrementalism[1] der Small-Ball-Konservativen wie John McCain, dem republikanischen Kandidaten von 2008, und Mitt Romney, der ihm 2012 nachfolgte, zurückgewiesen haben.

Es handelt sich nicht eigentlich um einen republikanischen Sieg. Die selbsternannten Wächter der republikanischen Ideologie haben größtenteils Clinton unterstützt oder hielten sich raus. George Bush, Vater und Sohn, enthielten sich – wie berichtet wird – der Stimme. Es ist – wie auch immer – ein amerikanischer Sieg, der Triumph von Amerikas Risikofreude und seines Willens, sich anzupassen, zu experimentieren und etwas auszuprobieren.

Es gibt keinen Grund für Amerikas Partner oder Wettbewerber in Panik zu verfallen. Amerika ist eben einfach Amerika. In seinem Herzen hat es wenig Interesse für das, was einen Ozean weit weg von seiner Küste passiert, und unter einer Trump-Präsidentschaft wird es weniger geneigt sein, sich überseeisch einzumischen. Ich erwarte, dass Trump mehr Ressourcen aufwenden wird, um das Militär und speziell militärische Technologie zu entwickeln, etwas das Moskau und Peking nicht mögen werden, was nicht von allein in irgendeine Art der Konfrontation münden wird.

Amerikas Anleihen werden wahrscheinlich steigen, sowohl weil Trump das Wirtschaftswachstum mit großen Ausgaben unterstützen will, als auch weil höheres Wachstum höhere Zinsen mit sich bringt. Der Dollar wird schwächer werden, und der kalte Wind der Deflation, der die Vereinigten Staaten während der letzten drei Jahre durchweht hat, wird sich abschwächen.

Die amerikanische Öffentlichkeit hat Herrn Trump das Mandat gegeben, etwas radikal Anderes zu versuchen als die enttäuschenden Maßnahmen der letzten acht Jahre. Es wird wahrscheinlich ein rauer Weg werden, heraus aus der wirtschaftlichen Stagnation und strategischen Verzichts. Aber es ist ein Weg heraus, und das ist letztlich etwas Gutes für den Rest der Welt.

[1] Incrementalism ist eine Planungsmethode, die bestrebt ist, mit relativ kleinen Veränderungen eine allmähliche Verbesserung bestehender Zustände zu erreichen.

Spengler auf Deutsch 70: Trumps Sieg war von vornherein absehbar

Das Original erschien am 8. November 2016 unter dem Titel “Trump’s Victory Was Obvious from the Outset” in PJMedia

 

Eine Wahlnacht in Amerika ist etwas Wunderbares. Was auch immer Sie über die Amerikaner sagen mögen, sie werden ernsthaft und bedacht, wenn sie ihre leitenden Politiker wählen. Sie begehen Irrtümer, aber sie haben die Möglichkeit, sie zu korrigieren. Kurz vor Mitternacht, nachdem die New York Times Trumps Gewinnwahrscheinlichkeit auf 95 % erhöht hatte, ging ich in eine irische Bar in der Nähe meines Hauses und unterhielt mich mit meinen Nachbarn. Viele hatten zögernd für Clinton gestimmt, einige – ebenfalls mit Vorbehalten – für Trump, aber alle hatten etwas Erregendes zu sagen, warum sie ihre Wahl getroffen hatten.

Lincoln hatte Recht: Man kann nicht alle Menschen immer hinters Licht führen. Hillary Clinton konnte die Amerikaner nicht überzeugen, das 2+2 = 5. Die Amerikaner wissen, dass ihr Leben schlechter geworden ist, ihre Kinder geringere Aussichten als sie haben, und das die Gelegenheiten zum Aufstieg verschwunden sind. Sie wollten jemanden, der ihre Besorgnisse ernst nimmt und große Dinge tut, um ihnen zu helfen. In den Vorwahlen verwarfen sie die Small-ball-Konservativen des republikanischen Mainstreams und wählten den Kandidaten, der nationale Größe versprach. Man hat Donald Trump vorgeworfen, er habe kein klares Programm. Das hat er auch nicht, aber das Volk ist nicht so kleinlich wie die Punditeska. Es weiß, dass die Voraussetzung für eine erfolgreiche Präsidentschaft die Erkenntnis ist, dass eher gigantische Schritte als kleine Schritte erforderlich sind. Es hat das Mandat dem Kandidaten gegeben, der ihm das versprochen hat, und es wird Donald Trump gewähren lassen, die Details auszuarbeiten.

Das ist der Grund, warum ich von Trumps Sieg seit langem überzeugt war. Ich habe am 12. September geschrieben: „Deplorably, Trump is Going to Win,“ und am 9. Oktober: „Trump Will Win the National Battle for Legitimacy.“ Die elitäre Verachtung für das Streben der meisten Amerikaner hat einen Gipfel der Arroganz erreicht, den die Amerikaner nicht zu ertragen gewillt sind. Donald Trump ist nicht der ideale Kandidat, seine Lebenserfahrung als Geschäftsführer eines Unternehmens im Familienbesitz hat ihm erlaubt, seinen Impulsen zu folgen, wohin auch immer sie ihn führten, und seine Genusssucht hat sich oft unvorteilhaft offenbart. Für die meisten Amerikaner hat ein Votum für Trump sorgfältige Überlegung erfordert, sie wogen die viel diskutierten Fehler des Mannes gegen das einfache Faktum, dass er verspricht, Risiken auf sich zu nehmen und neue Dinge zu versuchen, um Amerikas Größe wiederherzustellen. Ich glaube, er gleicht Franklin Roosevelt mehr als jedem anderen seiner Vorgänger. Franklin D. Roosevelt hat fast alles falsch gemacht, bis der Zweite Weltkrieg Amerika aus der Größen Depression holte, aber er hielt das soziale Gefüge zusammen, indem er den Amerikanern zeigte, dass er gewillt war, auch drastische Maßnahmen zu ergreifen, um eine unerträgliche Situation zu beenden.

Die #NeverTrumpers haben eine elitäre Verachtung für das amerikanische Volk gezeigt und die Interessen der republikanischen Partei ebenso wie die ihres Landes verraten. Großmut ist nicht die richtige Antwort auf diese Art von Betrug. Ein neuer republikanischer intellektueller Kern formt sich derzeit um die Claremont Review, das Journal of American Greatness und -mit Zustimmung unserer Sponsoren – um Publikationen wie PJMedia. Es ist an der Zeit, wagemutig und innovativ zu sein, zu erwägen, welche Politik den Niedergang des letzten Jahrzehnts umkehren wird und uns selbst von toten Gewicht verfehlter Ideologien zu entlasten. Harte Arbeit liegt vor uns. Packen wie sie an, ohne uns ablenken zu lassen.

 

Spengler auf Deutsch 69: Die Schlafwandler und Herr Trump

Das Original erschien am 5. November 2016 unter dem Titel “The sleepwalkers and Mr. Trump” in Asia Times.

Im Gegensatz zur herrschenden Meinung sollte die Welt auf einen Wahlsieg von Donald Trump am nächsten Dienstag hoffen. Die amerikanische Politik ist ein stinkender Morast, in dem Ideologie und Interessenspolitik ihre Führer von der realen Welt isoliert haben. Es ist nicht einfach so, dass Amerikas Politiker keine Fühlung mehr haben, sondern dass sie in ständigem Kontakt mit einem fiktiven konstruierten Weltbild sind, das die Möglichkeit für politische Kurskorrekturen ausschließt.

Amerikas politische Elite besteht aus Schlafwandlern, in der Art, in welcher der Historiker Christopher Clark die europäischen Politiker im August 1914 am Vorabend des Ersten Weltkriegs beschreibt. Fünf Jahre und 500.000 Tote nach dem desaströsen „Arabischen Frühling“ und dem Staatstreich in Libyen von 2011 hat die amerikanische Elite immer noch nicht verstanden, dass das heutige Chaos im Nahen Osten durch amerikanische Einmischung entstanden ist. Präsident Obama, Außenministerin Clinton und der McCain-Mainstream der Republikanischen Partei glauben leidenschaftlich, dass die arabische Welt mit ihrer tyrannischen Vergangenheit gebrochen hat und auf dem Weg zur Demokratie ist. Aber indem sie die alten Diktaturen zerstörten, öffneten die Vereinigten Staaten das Feld für ethnische und sektiererische Kriege. In Syrien herrscht Bürgerkrieg, der Irak steht kurz davor und selbst die Türkei ist gefährdet.

Überprüfen wir die Kritik an Herrn Trump durch General Michael Hayden, Direktor des CIA von 2006-2009. General Hayden nennt Trump in einem Artikel in der Washington Post dieser Woche „Putins nützlichen Idioten“; er schreibt „Trump gleicht Putin auch, wenn es um Syrien und den Islamischen Staat oder ISIS geht. Er folgt hier Moskaus Linie, dass wir und die Russen ein gemeinsames Interesse haben und das Russland und Syriens Diktator Bashar al-Assad (und der Iran) den “ISIS killen.”

“Tatsächlich aber ist es nicht so,” fährt General Hayden fort. “Sie (die Russen) unterstützen das Assad-Regime, das, sollte jemand mitgezählt haben, mehr Unschuldige umgebracht hat als der Islamische Staat und Jabhat al-Nusra, der Partner von Al-Kaida, zusammen. Und die Attraktivität des Islamischen Staates und Al- Kaida für sunnitische Muslime ist ein direktes Beiprodukt der Verwüstungen des Assad-Regimes – das Regime, welches Russland vor einem Jahr vor dem Kollaps bewahrt hat“.

Das sind alles Wahnideen. Der Grund, warum sunnitische Araber den Islamischen Staat unterstützen, besteht darin, dass die Vereinigten Staaten den einzigen sunnitischen arabischen Staat in der Levante und Mesopotamien, nämlich den Irak, zerstört und dort einen schiitischen Staat (unter Nouri Maliki) im Jahre 2007 etabliert haben. Die Sunniten revoltierten und die amerikanische Besatzungsmacht unter General Petraeus bezahlte ihnen Hunderte von Millionen Dollar, um Zeit zu kaufen. Nach Jahren, in denen die sunnitische Opposition die Form eines nichtstaatlichen Akteurs gehabt hatte, nämlich als Al-Kaida, erklärte ISIS, dass es an der Zeit sei, einen sunnitischen Staat zu bilden, und machte sich selbst so zu einem Magneten sunnitische Unterstützung.

Die schiitischen Milizen, geführt von iranischen Offizieren, welche die Vereinigten Staaten gegen ISIS unterstützen, sind fast so brutal wie ISIS selbst. So werden konfessionelle Kriege in diesem Teil der Welt eben geführt. Die „moderaten sunnitischen Islamisten“, die General Hayden und seine Nachfolger beim CIA mit Waffen aus den libyschen Depots versorgten, waren immer von Al-Kaida, aber mit einer anderen Visitenkarte.

Wie ich schon am 9. Aug. bemerkte: General Hayden glaubt immer noch, dass die Vereinigten Staaten Islamisten wie die Muslimbruderschaft ermutigen sollten, die Macht im Nahen Osten auszuüben. Er sagte mir letztes Jahr, dass er enttäuscht gewesen sei, dass das ägyptische Militär die Regierung der Muslimbruderschaft von Mohamed Morsi gestürzt habe, bevor sie die Möglichkeit hatte, sich um die Müllabfuhr und andere öffentliche Dienstleistungen zu kümmern und sich selbst zu einer gemäßigten politischen Kraft zu entwickeln. Indem sie „moderate“ Dschihadisten bewaffneten, pumpten General Hayden und seine Kollegen vom CIA Benzin in die sektiererischen Feuer der Region. Generalmajor Daniel P. Bolger hat dieses Desaster bereits 2014 in seinen exzellenten Kriegsmemoiren „Why We Lost“ beschrieben.

Es war für jeden mit Augen im Kopf offensichtlich, dass die sunnitischen Aufständigen sich auf den Ruf eines islamischen Staates zusammenschliessen würden. General Michael Flynn, ein Berufsoffizier und lebenslanger Demokrat, der die „Defense Intelligence Agency“ 2011 und 2012 leitete, hat versucht, die Obamaregierung zu warnen, dass ISIS eine ernsthafte Bedrohung geworden ist. Seine Berichte wurden ignoriert. Wie Flynn später berichtet hat: „Ich denke, sie entsprachen nicht dem Narrativ, welches das Weiße Haus wollte“.

General Flynn ist jetzt Donald Trumps nationaler Sicherheitsberater, und seine Ansichten hat er in einem 2016 erschienenen Buch öffentlich gemacht, das er zusammen mit Michael Ledeen verfasst hat.

Flynn zeigt keine Sympathie für Russland. Ganz im Gegenteil betont er Russlands Unterstützung für den Iran als Beweis für seine ideologische Affinität zu der Islamischen Republik: „Es ist das alte Rezept: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Putin hat die Vereinigten Staaten (und die NATO generell) zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit Russlands erklärt, und ‚Tod den Amerikanern‘ ist der offizielle Gesang der islamischen Republik Iran. Sowohl die Putinisten als auch die radikalen iranischen Muslime stimmen in der Identität ihres Hauptfeindes überein. Ein Teil der Antwort besteht sicher darin, dass ihre Allianz einfach die logische Folge ihrer Feindseligkeit gegen Amerika ist … Die Russen und Iraner haben mehr gemeinsam als einen gemeinsamen Feind. Sie teilen auch die Verachtung für Demokratie und stimmen überein – das gilt für alle Mitglieder der feindlichen Allianz – dass eine Diktatur, ein Imperium, ein Kalifat eine überlegene Methode sind, ein Land zu regieren.

Das scheint mir zu einfach. Russland (wie China) hat keine schiitische muslimische Bevölkerung, seine Besorgnis über heimische Stabilität betrifft ausschließlich Sunniten. Die Schiiten sind ein natürlicher Verbündeter, trotz des Fakts (wie Flynn und Ledeen bemerken), dass der Iran versucht hat, zu den russischen und zentralasiatischen Muslimen vorzudringen. Aber diese Versuche waren schwach und ohne Folgen. Seien wir fair zu Putin. Amerikas grobe Fehler im Nahen Osten ließen den sunnitischen Djschin aus der Flasche, die Saddam Hussein lang verschlossen gehalten hatte, und das ist eine Bedrohung russischer Interessen. Es waren amerikanische Irrtümer, die Russland zwangen, eine führende Rolle in der Region zu übernehmen, ob Putin nun die Vereinigten Staaten unterminieren wollte oder nicht. So hat Putin seine Haltung auswärtigen Politikern erklärt, mit denen ich gesprochen habe. Russland hat nicht vergessen, wie effektiv Amerikas Unterstützung für Dschihadisten im Afghanischen Krieg von 1980 war. Wenn Washington Russland zu destabilisieren wünscht, wären sunnitische Militante ein effektives Mittel der Subversion. So etwas zu tun wäre meines Erachtens dumm und gefährlich, aber Moskau kann nicht ausschließen, dass die Vereinigten Staaten in Zukunft so handeln könnte (Ich glaube nicht, dass die Obamaregierung so etwas vor hat).

Putin glaubt auch, dass Washington den Maidan-Staatsstreich in der Ukraine von 2014 in der Absicht unterstützt hat, um durch ihn zu einem Regierungswechsel in Russland beizutragen. Ich weiß nicht, ob diese Einschätzung korrekt ist, aber einige Leute in Washington hatten diese Idee.

Moskau hat auch ohne Putins ideologische Vorlieben eine Anzahl von praktischen Gründen, den Vereinigten Staaten das Leben schwer zu machen. Leider hat es auch die Mittel, das zu tun. Während die Vereinigten Staaten vielleicht 5 Billionen Dollar im Irak, Afghanistan und ähnlichen Abenteuern ausgaben, investierte Moskau eine erheblich geringere Summe in Flugabwehr-Systeme, die in der Lage sein könnten, amerikanische Jagdflugzeuge der fünften Generation abzuschießen. Washington weiß nicht, wie gut die russischen S-300 und S-400 Boden-Luft-Raketen sind, und will es nicht herausfinden.

Ihre Inkompetenz ist so allumfassend, dass es schwierig ist, einen höheren Beamten der George W. Bush oder Obama-Regierung zu finden, der nicht von ihr angesteckt wäre. General Flynn, der gefeuert wurde, weil der das offizielle Märchen in Zweifel zog, ist eine Ausnahme. Amerikas außenpolitische Elite lehnt es größtenteils ab, die Verantwortung für ihre Fehlschläge zu übernehmen. Ihre Reputation würde durch Frau Clinton gesichert werden, die bei alledem eine von ihnen ist. Der Kreis des Selbstschutzes ist so eng gefügt, dass nichts außer einem Außenseiter, der durch die Demütigung der alten Garde nichts zu verlieren hat, ein Mindestmaß an Kompetenz in Amerikas Politik wiederherstellen kann.

Spengler auf Deutsch 68: Die FBI-Agenten, die für die Herrschaft des Gesetzes aufgestanden sind, machen mich stolz, Amerikaner zu sein

 

Das Original erschien am 31. Oktober 2016 unter dem Titel „The FBI Agents Who Stood Up for Rule of Law Make Me Proud to be an American” in PJMedia.

Man hört häufig, dass Amerika sich in eine Dritte-Welt-Kleptokratie verwandelt. Ich habe in einer ganzen Reihe von Dritte-Welt-Kleptokratien gearbeitet, damals in den Tagen als die Reagan-Revolution begann und wir Reagananhänger dachten, wir könnten Freie Märkte und Demokratie in die ganze Welt exportieren. Natürlich konnten wir das nicht. Aber ich hatte Gelegenheit, aus erster Hand zu sehen, was eine Bananenrepublik vom „Land der Freien und der Heimat der Tapferen“[1] unterscheidet. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass einige Personen die Entschlossenheit haben, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen ihren Job zu machen – sie schauen nicht nach rechts und links, akzeptieren keine gefüllten Briefumschläge oder ihr Äquivalent, einen fetten Posten nach Beendigung des Regierungsdienstes. Sie behandeln ihren Job wie ein geheiligtes Unterpfand, das ihnen vom Volk anvertraut wurde.

Irgendwo gibt es eine Handvoll von FBI-Agenten, die entschieden haben, ihre Jobs zu machen – d. h. ein Ende zu machen mit der Verschleierung von Clintons privatem Email-Server, mit dessen Hilfe Hillary ihr hohes Amt in einen Goldesel verwandelte. Ich weiß nicht, wer sie sind, oder auch nur, wie es passiert ist, aber einige Männer und Frauen sagten FBI-Direktor James Comey, wenn er nicht vorangehe, dann würden sie es tun – und sie hatten genug Beweismaterial, um Comey die Daumenschrauben anzulegen. Wir wissen das aus Devlin Barretts Reportage im “Wall Street Journal“. Barrett schreibt:

“Die neue Untersuchung, die FBI-Direktor James Comey am Freitag bekanntgab, offenbart eine Dienststelle, die zeitweise scharfe interne Auseinandersetzungen über den Fall Clinton führte, und wie man solche Fragen fair und angemessen mitten in einem nationalen Wahlkampf behandelt. Selbst als eine Probe aus Frau Clintons Email-Gebrauch im Juli durchsickerte, erhitzten sich innere Streitigkeiten innerhalb des Büros und im Justizministerium über Clintons familiäre Wohltätigkeit. So berichten Gewährsmänner, die mit dem Thema vertraut sind“.

Die unbesungenen Helden vom FBI setzen einiges aus Spiel. Sie wissen, dass sie ihre Karrieren riskieren, vielleicht gar ihre Pensionen. Gut möglich, dass sie ihre Kinder auf ein öffentliches College statt auf eine Privatuniversität schicken müssen, und dass sie eher eine Wohnung mieten als ein Haus kaufen können. Das ist der Einsatz, den mittlere Beamte riskieren, wenn sie gegen das System aufbegehren. Aber sie haben es getan, weil sie ihren Job machen mussten. Es war ihr Job, nicht der eines anderen, wenn sie ihn nicht machten, dann würde niemand ihn erledigen, und sie würden nicht hinnehmen, dass ihnen irgendjemand erzählt, sie hätten ihren Job, die Öffentlichkeit zu schützen, nicht gemacht.

“12 Uhr Mittags” kommt einem in den Sinn. Der Sheriff, dargestellt von Gary Cooper, steht einer Gangsterbande gegenüber aus keinem andern Grund als dass es sein Job ist, das zu tun. Es ist der letzte Tag seiner Amtszeit, die Leute drängen ihn, zu fliehen und nicht zu kämpfen. Es ist keine existentielle Geste a la Hemingway. Er hat Angst und ist verletzt. Er fühlt keine Zuneigung für die feigen Bürger. Aber er wird seinen Job nicht unausgeführt lassen.

Wenn Sie eine Republik wollen, dann müssen sie Ihre persönlichen Interessen für das Gemeinwohl aufopfern, wenn Sie dazu berufen werden. Wer die Wahl trifft, das Recht durchzusetzen oder Feuer zu bekämpfen oder im Militär zu dienen, weiß, dass es eines Tages zu seinem Job gehören mag, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Aber das gleiche gilt in geringerem Maße für jeden Bürger. In lateinamerikanischen Kleptokratien nimmt der Mann, dessen Job es ist, Ihnen das Gas abzustellen, wenn Sie Ihre Gasrechnung nicht bezahlen, statt dessen ein Bestechungsgeld, das er größtenteils an seine Vorgesetzten weiterreicht. Der Regierungsbeamte nimmt ein Bestechungsgeld, um Ihnen ein Formular zu geben, dass Sie ausfüllen müssen, wenn sie Holz von Michoacán nach Mexiko-City verschiffen wollen, ein Formular, das sie dann mit einem weiteren Bestechungsgeld im Büro nebenan präsentieren, und so weiter. Jedermann ist bestechlich. Das System korrumpiert jeden. Wenn Sie ehrlich bleiben wollen, emigrieren Sie.

Die Herrschaft des Gesetzes ruht auf dem moralischen Gegenstück der dünnen roten Linie[2]. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hängt das Schicksal eines Landes an einer Handvoll seiner Bürger, die mit den Angreifern fertig werden müssen: den Fronttruppen, den Marines auf Iwo Jima, den Piloten in der Luftschlacht um England. Diejenigen, deren Job es ist, das Recht aufrecht zu erhalten, müssen dies auch unter Inkaufnahme persönlicher Risiken tun. Was eine große Nation von einer Bananenrepublik unterscheidet, ist ihre Fähigkeit, genug solche Leute zu finden, die, wenn der Zeitpunkt kommt, ihren Job machen. In einer Bananenrepublik bekämpft – mit seltenen Ausnahmen – niemand das System, und wer es tut, wird fast immer umgebracht, wie Luis Donaldo Colosio in Mexiko im Jahre 1994.

Ich habe lange gewartet, dass ein Präsidentschaftsbewerber aufsteht und die Wahrheit über Korruption in Washington sagt. Donald Trumps New Hampshire Rede leistete dies am letzten Freitagnachmittag. Trump macht seinen Job. Sein Job besteht darin, mit einer großen Pumpe zu kommen und den Sumpf trockenzulegen, und er macht ihn – und er verdient die Unterstützung jeden Amerikaners. Aber er würde es nicht können ohne die tapferen Männer in mittleren Positionen des FBI, die ihre Pflicht taten. Ich kenne ihre Namen nicht. Aber sie machen mich stolz, Amerikaner zu sein.

[1] Spengler zitiert hier die amerikanische Nationalhymne (The Star-Spangled Banner).

[2] Anspielung auf Rudyard Kiplings Gedicht „Tommy“ aus den Barrack-Room-Ballads, in dem Kipling Infanteristen als „the thin red line of ‚eroes“ beschreibt. Kiplings Gedicht spielt an auf die Taten britischer Soldaten im Krimkrieg, insbesondere in der Schlacht bei Balaklava. Hier wehrte eine „dünne rote Linie“ (die britischen Soldaten trugen rote Uniformen) eine zahlenmäßig weit überlegene russische Kavallerieattacke ab. Seither sprichwörtlich für entschlossenen Widerstand gegen feindliche Übermacht.

Spengler auf Deutsch 63: Das Dach der Echokammer hebt ab

Das Original erschien am 20. Oktober 2016 unter den Titel “The Roof Blows Off the Echo Chamber” in PJMedia.

 

„Wir haben eine Echokammer[1] geschaffen. Sie sagten Dinge, die bestätigten, was wir ihnen zu sagen vorgegeben hatten. In Abwesenheit eines rationalen Diskurses reden wir in Phrasen … Der durchschnittliche Reporter, mit dem wir sprechen, ist 27 Jahre alt, und seine einzige Erfahrung als Reporter besteht aus politischen Kampagnen. Das ist eine grundlegende Veränderung. Sie wissen wirklich nichts“.

So sprach ein gewisser Ben Rhodes, literarischer Dilettant und Möchtegern-Don DeLillo, in einem verblüffenden Interview-Essay durch David Samuels in der „New York Times” vom letzten Mai. Rhodes beschreibt dort, wie man der amerikanischen Zivilgesellschaft den Nuklearvertrag mit dem Iran schmackhaft gemacht hat, nämlich durch Ignoranten in den Medien, die pflichtschuldig die Echos wiederholten, welche aus dem Regierungsstall vermeintlich unabhängiger Experten kamen. Aber das „Echokammerprinzip“ trifft auf alles zu, was die Medien des Establishments dem Publikum weismachen wollen. Das Schlimme mit Echokammern ist aber, dass positive Rückmeldungen das Dach abheben lassen können. Das ist es, was gerade jetzt in der amerikanischen Politik vorgeht.

Es gibt keinen Nachrichtenaustausch. Es gibt keine nationale Debatte. Es gibt keinen Ed Murrow, keinen Walter Cronkite, keine Person mit Autorität, zu der das Publikum ein gewisses Vertrauen hat, sie werde die relevanten Fakten präsentieren. Statt dessen hatten wir so viele Lügen, Verschleierungen, aufgedeckte Verschleierungen, neue Lügen, neue Verschleierungen und neue aufgedeckte Verschleierungen, dass selbst die Experten mit Informationen überlastet sind. Was aber geht im Hirn eines durchschnittlichen Wählers mit geringem Interesse an Politik vor, der täglich zehn bis 15 Minuten die Nachrichten sieht?

Die Antwort ist: Fast alles, was Sie sich vorstellen können. Gemäß einer Untersuchung von Pew Research empfangen zweiundsechzig Prozent der Amerikaner zumindest einige ihrer Nachrichten über Soziale Medien und der Anteil wächst schnell. Facebook und andere soziale Medien erlauben es, den Nachrichtenkonsum individuell auf der Basis von Empfehlungen und Re-Postings von Freunden anzupassen, und Nachrichtenkonsumenten verlassen sich zunehmend mehr auf ihr Netzwerk als auf die Medien.

Auf diese Weise verwandelte sich Steve Bannons “Breitbart News”-Organisation mit ihrer ausgefallenen Mischung aus saftigem Klatsch und rechter Politik fast über Nacht in ein ernstzunehmendes Medium. Auf diese Weise erhielt Drudge Report[2] 1.47 Milliarden Seitenbesuche im Juli. Niemand weiß, was die Amerikaner glauben. Nur einer von neun Amerikanern glaubt, dass Hillary Clinton „ehrlich und glaubwürdig“ ist. Sie haben kein Vertrauen in die Verschleierung ihrer Vergehen durch die Medien, und die Verschleierung der Verschleierung der Verschleierung.

Glauben sie, was der National Enquirer an die Spitze seiner Website setzte, dass Hillary ihre Handlanger lesbische Rendezvous arrangieren ließ? Glauben sie, dass Hillary Muslime „sand N—ers“ (sandfarbige Nigger) genannt hat? Glauben sie, dass die Clintons für 46 unaufgeklärte Selbstmorde verantwortlich sind? Oder glauben sie einfach, dass Bill und Hillary 250 Millionen Dollar einnahmen, indem sie ihren Einfluss verkauften, einen privaten Email-Server nutzen, um ihre Eigenmächtigkeiten im Außenministerium zu verbergen, und logen, bis sie schwarz wurden, als man sie ertappte.

Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, was die Leute denken. Für die meisten Amerikaner ist es unmöglich, sich ein Urteil zu bilden, mit dem sie zufrieden sind, weil sie keine Informationsquellen haben, denen sie vertrauen können. Bei Fox News herrscht ein Bürgerkrieg zwischen Pro- und Anti-Trump Republikanern. Die anderen großen Netzwerke stehen auf Seiten Hillarys. Die etablierten Medien haben an Glaubwürdigkeit verloren. In einer Gallup Umfrage vom September sagten nur 32 % der Amerikaner, sie hätten „großes“ oder „ziemlich viel“ Vertrauen in die Nachrichten der Medien. Das ist der niedrigste Stand in der Geschichte und sollte keine Überraschung sein: Die großen Medien mussten alle paar Tage eine neue Verschleierung zusammenstoppeln, noch bevor sie die vorangegangene Lügengeschichte richtig beendet hatten.

Das ist der Grund, warum Amerikaner nicht einfach die Abendnachrichten ansehen und ins Bett gehen. Sie lesen die Gerüchte im Internet und leiten sie an ihre Freunde weiter. Sie schaffen Netzwerke von Personen, denen sie vertrauen, in der Hoffnung, eine korrekte Darstellung dessen zu finden, was um sie herum vorgeht.

Darum glaube ich immer noch, dass die Wahl an Donald J. Trump gehen wird. Die Umfragen sind bedeutungslos. Ansichten ändern sich so schnell wie der neue Terminator in dem geschmolzenen Stahlbottich am Ende des Films. Und wenn die Amerikaner schließlich in die Wahlkabine gehen, dann wird ihnen kein Grund einfallen, für Hillary Clinton zu stimmen, sondern nur Gründe, gegen Trump zu stimmen. Es gibt weit mehr überzeugende Gründe, gegen Clinton zu stimmen. Aber so wird die Wahl ablaufen.

[1] Im Englischen ist “Echo chamber” eine metaphorische Beschreibung eines Zustandes, in dem Informationen sich durch Weiterleitung und Wiederholung innerhalb eines geschlossenen Systems immer weiter verstärken, während abweichende oder widersprechende Informationen zensiert oder auf andere Weise unterdrückt werden.

[2] Drudge Report ist eine konservative amerikanische Nachrichtenwebsite.

Spengler auf Deutsch 62: Hillarys Flugverbots-Patzer und Trumps verpasste Gelegenheit

Das Original erschien am 11. Oktober 2016 unter dem Titel „Hillary’s no-fly gaffe and Trump’s missed opportunity“ in Asia Times.

Der extremste Fehler in der Präsidentschaftsdebatte vom 9. Oktober war Hillary Clintons Vorschlag für eine Flugverbotszone in Syrien. Die demokratische Kandidatin erklärte: „Ich, als ich Außenministerin war, habe Flugverbotszonen und Sicherheitszonen befürwortet und befürworte sie auch heute. Wir brauchen ein Druckmittel auf die Russen, weil sie nicht für eine diplomatische Lösung an den Verhandlungstisch kommen werden, bis wir nicht einen gewissen Druck ausüben können“. Weder Donald Trump, noch die Moderatoren der Debatte erwähnten das Offensichtliche: Infolge der russischen Flugabwehr lässt sich eine Flugverbotszone nicht durchsetzen.

Der größere Zusammenhang – den ein republikanischer Herausforderer gut ausbeuten könnte – besteht darin, dass die amerikanische Überlegenheit in Flugabwehrsystemen unter der Obamaregierung so weit erodiert ist, dass Russland die Fähigkeit haben könnte, selbst Tarnkappenflugzeuge abzuschießen. Das Pentagon weiß die Antwort auf diese Frage nicht und will sie verständlicherweise nicht herausfinden. Das Problem ist nicht, ob Amerika und Russland wegen eines abgeschossenen amerikanischen Flugzeugs in einen Krieg eintreten. Das ist höchst unwahrscheinlich. Aber Amerikas strategische Glaubwürdigkeit würde einen schweren Schlag erleiden, wenn Tarnkappenbomber nicht länger russische Flugabwehrraketen austricksen könnten.

Russland hat bereits ein S-400 Flugabwehrsystem in Syrien installiert, das Kampfflugzeuge abschießen kann, und angekündigt, dass es das S-400 durch das S-300V-System ergänzen wird. Damit erweitert sich die Reichweite der russischen Flugabwehr in der Region um 250 Meilen (400 km). Die „Military Times“ vom 8. Oktober zitiert Steve Zolaga, einen Verteidigungsspezialisten der „Teal Group“. Er warnt: „Die Russen dürften gemerkt haben, dass sie eine gewisse Kapazität brauchen, um mit einem ausgewachsenen amerikanischen Luftschlag fertig zu werden. Die Russen kommen manchmal mit wirklich paranoiden Szenarios, wo sie den Krieg als unmittelbar bevorstehend ansehen. Wenn sie eine paranoide Einschätzung der westlichen Intentionen haben, dann hat die S-300V einen gewissen Sinn“. In Anbetracht von Clintons Vorschlag erscheinen die russischen Vorbereitungen weniger paranoid als vorausschauend.

Die Obama-Regierung hat sich bereits von Clintons Flugverbotsvorschlag distanziert, weil sie das Morden auf dem Boden nicht beenden würde. Aber das Insistieren der früheren Außenministerin auf Flugverbotszonen verrät eine völlige Ignoranz über den Zustand von Amerikas Verteidigung und ebenso über die potentielle Anwendung der amerikanischen Militärmacht.

Sachdienlicher ist eine einfache Analyse der Kapazitäten. Amerikanische Verteidigungsexperten wissen, dass Russland an einem fortgeschrittenen Radar arbeitet, das niedrig fliegende Aufklärungsflugzeuge identifizieren und anvisieren kann. Der Verteidigungsspezialist vom „National Interest“, Dave Majumdar, hat diese Frage in einem Überblick vom August 2016 erörtert. Mike Kofman von der „CNA Corporation“ meinte gegenüber NI: „Russland hat in niederfrequente Frühwarnradars investiert, von denen einige sehr gute Varianten fertig sind. Aber kann es sie nutzen, um ein gutes Bild und um einen Kurs gegen niedrig fliegende Aufklärungsflugzeuge zu bekommen“?

Amerikanische Experten argumentieren, dass die besten russischen Systeme wahrscheinlich die amerikanischen Flugzeuge der vierten Generation abschießen können (die Varianten der F-15, F-16 und F-18), aber dass sie nicht in der Lage sind, die F-22 Raptor zu schlagen – noch. Prorussische Medien wie Russia Insider behaupten, dass die nächste Generation der russischen Flugabwehr, das S-500-System, dessen Einsatzbereitschaft für 2017 vorgesehen ist, „die F-35 in Rente schicken wird“. Die Frage ist nicht, ob russisches Radar Tarnkappenflugzeuge orten kann, sondern ob es das schnell und akkurat genug kann, um Raketen ins Ziel zu leiten. Das bleibt eine unbeantwortete Frage. Ein höherer Beamter des Verteidigungsministeriums sagte in einem Hintergrundgespräch, dass das Pentagon die Antwort nicht kenne und sie nicht gewaltsam herausfinden wolle.

Der Skandal liegt in der Unsicherheit. Mit 1,5 Billionen Dollar ist der F-35 Tarnkappenjäger das teuerste Rüstungsprogram in der Geschichte der Kriegführung; er ist so teuer, dass er Alternativen aus dem amerikanischen Verteidigungsbudget verdrängt hat. Abgesehen von zahlreichen operationellen Problemen, welche das F-35-Program belasten, besteht das Risiko, dass das Konzept des Programms in fataler Weise fehlerhaft ist, selbst wenn das Flugzeug kann, was es können soll. Wenn russisches Flugabwehrradar die F-35 besiegen kann, dann haben die Vereinigten Staaten die meisten ihrer Eier in einen sehr zerbrechlichen Korb gelegt

Das ist eine bemerkenswerte Umkehrung der Verhältnisse von 1982, als die bessere Bordelektronik der Amerikaner und Israelis ein russisches Boden-Luft-Raketenabwehrnetzwerk in Syrien ausschaltete, was der israelischen Luftwaffe erlaubte, 90 in Russland gebaute Jagdflugzeuge an einem einzigen Tag zu zerstören – das sogenannte Truthahnschießen im Bekka-Tal. Der Kollaps der in Russland gebauten Luftabwehr und die Niederlage der damals modernen russischen Flugzeuge trug dazu bei, die russische militärische Führung zu überzeugen, dass sie einen Krieg gegen die Vereinigten Staaten nicht gewinnen konnte. Es war eine von mehreren Entwicklungen, einschließlich des russischen Debakels in Afghanistan, der Verschiebung in der strategischen Balance an der europäischen Front infolge der Aufstellung von Pershing Mittelstreckenraketen und der amerikanische „Strategic Defense Initiative“, welche den Kalten Krieg gewannen.

Die Vereinigten Staaten haben etwa 4 Billionen Dollar verschwendet, um Nationen in Irak und Afghanistan zu bilden. Seit den frühen 1990er Jahren ist das Budget für Forschung und Entwicklung des Verteidigungsministeriums – gemessen am Prozentsatz vom Bruttoinlandsprodukt – um die Hälfte gefallen, und ein überproportional großer Anteil des verbleibenden Forschungsbudgets wurde in das F-35 Programm geleitet. Mit weit geringeren Ressourcen hat Russland eine glaubwürdige Herausforderung der amerikanischen Luftüberlegenheit auf die Beine gestellt. Man sollte meinen, dass dieser Punkt eine wichtige Rolle in der amerikanischen Präsidentschaftskampagne spielen würde. Donald Trump hat sich vage über die Notwendigkeit ausgesprochen, Amerikas Militär wiederaufzubauen. In der Debatte der letzten Nacht hat er die Gelegenheit verpasst, diese seiner Gegnerin detailliert aufs Butterbrot zu schmieren.