Spengler auf Deutsch 38: Die italienischen Banken sollten Janet Yellen mehr Angst machen

Das Original erschien am 29. März 2016 unter dem Titel „Italy’s banks should scare Janet Yellen even more“ in Asia Times.

„Angesichts der bestehenden Risiken halte ich es für angemessen, dass das [Federal Open Market] Committee mit seiner Anpassungspolitik fortfährt“, sagte die Fed-Vorsitzende Jenet Yellen dem „Economic Club“ von New York am Dienstag. Sie verwies auf langsameres Wachstum in den Vereinigten Staaten und China wie auch auf niedrige Rohstoffpreise. Ihr Gegenspieler in der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, weiß es besser: Am 10. März kündigte er an, dass die Europäische Zentralbank Unternehmensanleihen kaufen werde, um die Politik der Quantitativen Lockerung fortzusetzen. Das ist das erste Mal seit Menschengedenken, dass eine der großen Zentralbanken große Mengen von Kreditrisiken in ihren Bilanzen hat.

Draghi fürchtet einen Kollaps des Vertrauens in die italienischen Banken, die ihrerseits 405 Milliarden Euros der italienischen Staatsschulden besitzen. Das Problem ist, dass die italienischen Banken wahrscheinlich größtenteils zahlungsunfähig sind. Ende 2014 machten notleidende Kredite rund 18 % der Gesamtkredite der italienischen Banken aus, und die Zahl ist seither wahrscheinlich angestiegen.

Die Drohung der FED, die amerikanischen Leitzinsen zu erhöhen, hat die Weltaktienmärkte während der ersten sechs Wochen des Jahres in eine Abwärtsspirale geschickt. Die Märkte erholten sich, nachdem die amerikanische, europäische und japanische Zentralbank mit einer Lockerung der Geldpolitik reagierten und noch mehr versprachen. Die Zentralbanken haben recht, besorgt zu sein. Die europäische Bankenkrise von 2012 ist nie gelöst, sondern lediglich unter den Teppich gekehrt worden. Sie drohte im Februar erneut auszubrechen.

In den vier größten italienischen Banken ist die Summe der notleidenden Vermögenswerte größer als das Eigenkapital. Der schlimmste Fall ist die Monte di Paschi-Bank, die drittgrößte private Geschäftsbank Italiens. Dort übersteigen die notleidenden Vermögenswerte das Eigenkapital um mehr als 500 %. Berücksichtigt man den Restwert der notleidenden Vermögenswerte könnten Unicredito und Intesa San Paolo, die zwei größten Banken, zahlungsfähig sein, wenn man annimmt, dass sie über ihre notleidenden Vermögenswerte nicht lügen. Zum Vergleich: Bei der Bank of America und der Citigroup beträgt die Summe der notleidenden Vermögenswerte nur 3 bis 4 % des Eigenkapitals.

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Dagegen machen in chinesischen Banken – dem Gegenstand endloser Untersuchungen ausländischer Analysten – notleidende Kredite offiziell nur 1,6 % der Kapitalsumme aus, und die Maklerfirma „Reorient Group“ in Hong Kong schätzte in einem jüngst vorgelegten Bericht notleidende Kredite auf 4.2% der Vermögenswerte chinesischer Banken.

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Wenn die italienischen Banken untergehen, gilt gleiches für den italienischen Markt für Staatsschulden und damit für den Euro. Wie Francesco Sisci am 18. März berichtet hat, fürchten italienische Finanzkreise, dass politische Spannungen das Zutrauen in die Fähigkeit der Europäischen Gemeinschaft untergraben werden, die Bankenrettung weiter aufrechtzuerhalten.

Kursentwicklung europäischer Bankaktien gegenüber amerikanischen Bankaktien:

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Die europäischen Banken haben sich von der Krise der Eurozone 2012 nicht erholt. In Dollar gerechnet liegt der europäische Bankaktienindex (Euro Stoxx bank equity index) bei kaum 40 % des Standes von vor fünf Jahren, während amerikanische Bankaktien um 20 % höher notieren.

Auf dem Höhepunkt der Minipanik vom Februar stiegen die Kosten für die Versicherung Nachrangiger Darlehen europäischer Finanzgesellschaften auf Höhen, wie man sie seit der Krise von 2012 nicht gesehen hatte. Sie fielen scharf ab, nachdem Draghi angekündigt hatte, die Europäische Zentralbank werde Unternehmensanleihen kaufen.

Preise für die Versicherung Nachrangiger Darlehen:

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Es gibt keinen Ausweg für die europäischen Banken. Die Europäische Zentralbank hat die Kreditzinsen unter Null gesenkt, in der Hoffnung, so die Banken zu zwingen, das Geld auszuleihen, statt es in Geld verlierenden Kapitalanlagen zu horten. Aber die Kreditportfolios italienischer Banken schrumpfen, weil sie keine kreditwürdigen Kunden haben, und ihre liquiden Vermögenswerte verlieren Geld. Sie können sich aus dem Abgrund nicht herausverdienen. Italiens Bruttoinlandsprodukt ist immer noch um 10 % geringer als vor der Krise von 2007.

Die gute Nachricht lautet, dass eine italienische Bankenkrise, und selbst eine italienische Staatsschuldenkrise, nicht ausreichen, um das Weltfinanzsystem zum Einsturz zu bringen. Der Rest der Welt hatte genug Zeit, um seine Abhängigkeit von seinem schwächsten Glied zu reduzieren. Aber ein neuer finanzieller Schock in Europa würde den Euro abstürzen lassen, den Wert des Dollars erhöhen und einen deflationären Wind durch die Weltmärkte schicken.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

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